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Berliner Morgenpost: Macht der Staat mit, muss man sich nicht streiten - Leitartikel

Berlin (ots)

Auf den ersten Blick wirkt es wie ein Sieg der
Vernunft: In der Krise hat die IG Metall sich nicht nur sehr besonnen
verhalten, sondern erstmals darauf verzichtet, eine bezifferte 
Lohnforderung zu stellen. Um Arbeitsplätze zu sichern, wich die 
Gewerkschaft also sogar von wichtigen Ritualen ab. Die Arbeitgeber 
sparten sich ihrerseits ebenfalls scharfe Töne und die üblichen 
Anschuldigungen, und nach der Rekordzeit von nur einer Woche liegt 
die Einigung vor, die nicht nur die Beschäftigungssicherung, sondern 
auch die Lohnfrage regelt. Die Metaller bekommen über zwei Jahre eine
moderate Lohnerhöhung - aber sie zahlen gleichzeitig auch mit 
Lohneinbußen für die Kurzarbeit, die weiterhin das entscheidende 
Instrument zur Beschäftigungssicherung bleiben soll. Wichtige 
Metallarbeitgeber wie Daimler, die weiter stark unter dem weltweiten 
Nachfrageeinbruch nach deutschen Exportartikeln leiden, dürften sich 
über das Ergebnis gefreut haben. Denn die Belastungen für sie halten 
sich in Grenzen, und sie haben Planungssicherheit bis Mitte 2012.
Und dennoch hat die Geschichte einen Haken. Denn der Abschluss fällt 
auch deshalb so gut für Daimler & Co. aus, weil ein anderer mitzahlt 
- wenn alles so läuft, wie die Tarifpartner sich das vorstellen. In 
Wahrheit saß bei den Metallern ein Dritter unsichtbar mit am Tisch: 
der Staat. Er muss die gesetzliche und die tarifliche Kurzarbeit 
fördern, verlangen die Tarifpartner. Sonst müsse das "Job-Paket" 
wieder aufgeschnürt werden. Dass die Tarifpartner gemeinsam einen 
Teil der Last abwälzen wollen, hat nicht unwesentlich zur raschen und
reibungslosen Einigung beigetragen. Um gemeinsam die Hand aufhalten 
zu können, darf man sich schließlich nicht streiten.
Macht der Staat mit, kann man das ein informelles Bündnis für Arbeit 
nennen. Und wenn die Konjunktur bald wieder nachhaltig anspringt, 
könnte es sogar funktionieren. Aber die Frage ist doch: Würde es 
nicht auch ohne den Staat gehen? Allein, dass die Arbeitgeber im 
kommenden Jahr die Löhne um 2,7 Prozent erhöhen, spricht jedenfalls 
dafür, dass es etwas zu verteilen gibt - und dagegen, dass der Staat 
indirekt für eine Lohnerhöhung in der Metallindustrie zahlt. 
Vereinbaren die Tarifpartner untereinander, Jobs über eine 
Arbeitszeitverkürzung zu sichern, ist dagegen natürlich nichts zu 
sagen. Das staatlich geförderte Instrument der Kurzarbeit sollte 
hingegen auf die akute Krisenbekämpfung beschränkt bleiben. Wenn die 
Förderung der Kurzarbeit durch die Entlastung der Arbeitgeber bei den
Sozialversicherungsbeiträgen Ende dieses Jahres planmäßig ausläuft, 
dann müsste das eigentlich reichen. Dann hätten die Gewerkschaften, 
die Arbeitgeber und die Politik bereits über zwei Jahre gemeinsames 
Krisenmanagement betrieben.
Stimmt die Politik dem "Job-Paket" der Metaller zu, droht die 
Förderung der Kurzarbeit zur Dauersubvention einer Branche zu werden.
Der unumgängliche Strukturwandel würde aufgehalten. Vor allem aber 
dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis die Nächsten die Hand 
aufhalten.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell

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