BERLINER MORGENPOST: Kommentar zum Charité-Kompromiss
Berlin (ots)
Das ist kein großer Wurf - und schon gar nicht ein Befreiungsschlag für den Krankenhausstandort Berlin. Nach monatelangem Streit haben sich Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) und Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (SPD) offenbar auf einen Kompromiss zur Krankenhauslandschaft geeinigt. Die drei Uni-Standorte der Charité bleiben erhalten. Damit gibt es eine Bestandsgarantie für das Benjamin Franklin Klinikum in Steglitz. Dass die Charité-Führung da jubelt, ist klar, selbst wenn man noch 500 Betten abbauen muss. Das Ergebnis - sollte es denn so durch den Senat beschlossen und von den Fraktionen befürwortete werden - ist eine deutliche Niederlage für den Finanzsenator. Nußbaum war von Wowereit nach Berlin geholt worden, um das Finanzproblem der Kliniken und Krankenhäuser zu lösen. Während der kommunale Konzern Vivantes ein leichtes Plus erwirtschaftet, musste die Charité im vergangenen Jahr einen Verlust von knapp 20 Millionen Euro verzeichnen - trotz erheblicher Sparmaßnahmen. Nußbaum wollte strukturell eingreifen. Der Ansatz war richtig. Weg mit der Konkurrenzsituation von Vivantes und Charité. Hin zu einem Krankenhauskonzern, der den Professoren ihre Freiheit lässt, aber gleichzeitig auch in der Krankenversorgung wirtschaftlich arbeitet. Das von der Industrie und Handelskammer kürzlich vorgeschlagene Holding-Modell hat einen Weg aufgezeigt. Denn erst wenn die Kliniken aus den roten Zahlen kommen, kann man auch das noch viel größere Problem angehen: Etwa 1,6 Milliarden Euro brauchen Vivantes und Charité, um in den nächsten Jahren nötige Bauinvestitionen vorzunehmen. Doch wo soll das Geld nun herkommen? Der Senat wird es kaum aufbringen. Dieses Problem hat er vertagt. Somit ist der Kompromiss ist nicht nur für Nußbaum eine Niederlage. Auch dem Gesundheitsstandort Berlin droht ein Schaden. Denn die Krankenhäuser und Kliniken stehen längst im Konkurrenzkampf mit anderen Gesundheitskonzernen. Wer über Hochleistungsmedizin in Berlin redet, der denkt immer auch an Patienten aus Deutschland, Europa und der ganzen Welt. Und er denkt an Forschungsmittel, die nicht automatisch in die Hauptstadt fließen. Auch hier gibt es eine gewaltige Konkurrenzsituation. Eineinhalb Jahre vor der nächsten Abgeordnetenhauswahl kann sich der Senat offenbar nicht mehr zu einer Neuaufstellung in der Kliniklandschaft durchringen. Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner, in dessen Zuständigkeit eben nur die Charité fällt, hat in einer Diskussion vor einiger Zeit gesagt, dass er kein Problem darin sieht, die Grundsatzentscheidung über die Krankenhäuser zu verschieben. Aus seiner Sicht mag das stimmen. Doch nun droht eine jahrelange Hängepartie. Kein gutes Zeichen für die Gesundheitsmetropole Berlin mit ihren mehr als 20 000 Beschäftigten.
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