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BERLINER MORGENPOST: Kommentar zum Benzingipfel

Berlin (ots)

Die Ölkonzerne, meldete sich Umweltminister Norbert Röttgen noch aus dem Skiurlaub, sollten beim E10-Benzin bitte kein Kommunikationschaos anrichten. Das haben sie auch nicht. Das Chaos hat die Politik angerichtet, und jetzt will sie einfach so weitermachen. Die Politik hat einem Land E10 verordnet, dessen Autofahrer keineswegs mit knappen Sätzen erfahren können, ob ihre Autos E10-tauglich sind. Vielmehr liest sich das in einem Leitfaden der Autoindustrie so: Alle Volvos seit 1976 sind E10-tauglich, "sofern die Wartungsvorschriften eingehalten wurden". Wer kennt die Vorschriften, nennt die Werkstätten? Oder bei VW Golf: Alle geeignet, bis auf Fahrzeuge mit Herstellungsdatum Kalenderwoche 05/04-22/04 und Motorkennbuchstabe AXW. Fabelhaft. Kannte bislang jemand die Herstellungswoche seines Fahrzeugs? Bei manchen Automarken wird es noch viel komplizierter. "Ist die Zahl vor den beiden Buchstaben größer oder gleich 8454, ist E10-Verträglichkeit gegeben", und das ist erst der dritte Suchschritt - bis man die Zahl vor den beiden Buchstaben überhaupt gefunden hat, dauert es eine Weile. Zu guter letzt liest man unter "Krafträder, Honda" noch den ermutigenden Satz: "Bitte beachten Sie jedoch, dass Bio-Kraftstoff lackierte Flächen an Tank und Verkleidungsteilen angreifen bzw. beschädigen kann." Danke, genau das fehlte noch. Ist es ein Wunder, dass die meisten Autofahrer fragen: Wo steht hier die nächste Super-Zapfsäule? Der Widerstand gegen E10 sei irrational, und damit habe die Politik nichts zu tun - das sagen Politiker, die vor lauter großen Linien die Details für lästig halten. Es ist ja nicht nur so, dass viele argwöhnisch darüber nachdenken, ob Ethanolbenzin mit immer mehr Maisanbau und dieser mit der zunehmenden Wildschweinplage zu tun habe. Oder ob wir eines Tages zwar vom Nahost-Öl unabhängig sind, aber dafür das deutsche Brot knapp werden könne. Das bestreiten die Fachleute der Agrarverbände zwar, aber der Autofahrer macht sich eben so seine Gedanken. Wenn er dann plötzlich nur noch E10 vorgesetzt bekommt, ist das ein bisschen so wie ganz früher mit dem Ersatzkaffee, der Deutschland von teuren Importen unabhängig machen sollte. Weder will man den wunderlichen Ersatzkaffee, noch überhaupt ein von oben verordnetes Verbraucherverhalten. Wer weiß, demnächst führen diese Politiker noch die Stromsperrstunde wieder ein. Was die Wähler politisch etwas angehe und was nicht, so hat ein US-Regisseur einen Spielfilm-Präsidenten sagen lassen, "dazu hat die Bevölkerung sehr eigene Ansichten". In der Tat. Sie hat sehr eigene Ansichten dazu, wenn die Zwangseinführung einer neuen Benzinsorte mit wolkigen Gründen wie Importverringerung und CO2-Verminderung begründet wird, nicht aber mit ihrer Gesundheit oder ihrem Wohlstand. Man kann ja vieles über die Grünen sagen - aber die E10-Einführung hätten sie wohl besser hinbekommen. Denn die Grünen haben noch Respekt vor dem Zorn der Autofahrer. Die CDU offenbar weniger, und das wird sie am 27.März im Autoland Baden-Württemberg bei der Landtagswahl zu spüren bekommen. Erst Guttenberg, dann E10 - mal schauen, was noch kommt. Die Zwangsbeglückung an der Tankstelle ist aber bereits ein guter Schritt auf dem Weg dahin, das Wahljahr 2011 für die CDU so spannend und unangenehm wie möglich zu machen.

Pressekontakt:

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Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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