BERLINER MORGENPOST: Kuratorium ohne Mumm, Preis ohne Sinn - Leitartikel
Berlin (ots)
Es hat etliche Tage gedauert, doch dann hat der Verein Werkstatt Deutschland nachgegeben: Wladimir Putin erhält den Quadriga-Preis in diesem Jahr nicht, die Preisverleihung, die traditionell am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit, in der deutschen Hauptstadt stattfindet, wird ausgesetzt. Endlich, möchte man sagen. Denn die Debatte der vergangenen Tage war peinlich und unangenehm - für den Verein, für Deutschland, für Putin selbst. Putins Sprecher erklärte die Nichtvergabe mit dem "Chaos innerhalb der Jury" - was harmloser klingt, als es war. Der Verein, in dem sich parteiübergreifend Menschen für Visionen und mutiges Handeln engagierten, hat sich selbst ins Aus manövriert. Denn die Jury hatte sich offensichtlich mit Blick auf die öffentliche Wirkung und internationale Aufmerksamkeit für Putin entschieden - ohne zu bedenken, dass Putin wahrlich nicht der "lupenreine Demokrat" ist, als den manche ihn gern sehen würden. Zu Recht brach ein Sturm der Entrüstung los, doch der Verein beharrte zunächst auf der Auszeichnung Putins. Erst als einige Preisträger mit der Rückgabe ihrer Quadriga drohten, lenkte die Werkstatt Deutschland ein. Immerhin, aber leider wieder auf merkwürdige Art: Es wurde nur eine Presseerklärung verschickt und den Medien die Schuld gegeben, keines der Vorstandsmitglieder - zu denen auch Richard Schröder und Lothar de Maizière gehören - hatte den Mumm, sich öffentlich zu dem Quadriga-Desaster zu äußern. Was für eine schwache Leistung. Anfang der 90er-Jahre, als die Werkstatt Deutschland in Berlin gegründet wurde, da hatte die Sache ihren guten Sinn. Bürger und Politiker wollten sich für dieses neue, wiedervereinigte Deutschland engagieren, aus der Bonner Republik sollte eine Berliner werden. In der Öffentlichkeit wurde der Verein als halbstaatliche Veranstaltung wahrgenommen, schließlich kamen zur Quadriga-Preisverleihung im Schauspielhaus hochrangige Politiker aller Couleur, wurden Staatsmänner wie Helmut Kohl, Schimon Peres, Gerhard Schröder, der heutige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, die schwedische Königin Silvia oder auch der afghanische Präsident Hamid Karsai ausgezeichnet. Hinterfragt wurden die Auszeichnungen - beispielsweise die für Karsai, der der Korruption verdächtigt wird - nicht. Ging es nicht auch bei anderen Preisträgern vor allem um die mediale Aufmerksamkeit, weniger um Inhalte, um Freiheit und Visionen, Mut sogar? Man muss also nicht trauern, wenn der Verein diesen Streit über die Auszeichnung von Wladimir Putin nicht überlebt. Eine Werkstatt Deutschland braucht ein Gesicht, am besten mehrere interessante Gesichter, keine Menschen, die sich verstecken. Und Berlin braucht nicht jeden Preis - erst recht keinen, der so dilettantisch und politisch unsensibel vergeben wird. Heute beginnen in Hannover die deutsch-russischen Regierungskonsultationen. Da geht es um engere Wirtschaftskontakte, um den politischen Kurs bei internationalen Konflikten, um Syrien und Weißrussland, also auch um Menschenrechte. Auch wenn Putin nicht dabei ist: Angela Merkel wird einiges erklären müssen.
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