BERLINER MORGENPOST: Blamage auch für deutsche Hightech
Leitartikel von Jochim Stoltenberg
Berlin (ots)
Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut, und in München hat es vom Planungsentscheid bis zur Eröffnung des Flughafens Franz Josef Strauß 23 Jahre gedauert. So gesehen liegt Berlin mit bislang vergleichbaren 21 Jahren gar nicht so schlecht im Rennen. Wären da nur nicht die leeren Versprechungen, der nun schon vierte Eröffnungstermin und die haarsträubenden Fehler bei Planung und Technik. Das macht den Flughafen Willy Brandt zum Milliarden-Grab und Gespött im In- und Ausland, bevor auch nur ein Passagier in die Luft gegangen ist. Nun also der nächste Startversuch am 27. Oktober 2013. Sollte der auch wieder gecancelt werden, dann gute Nacht, BER. Aber nun haben wir mit dem neuen Chefplaner Horst Amann ja hoffentlich endlich den Experten mit vollem Durchblick gefunden. Noch immer fragt man sich, wie die Eigentümer Berlin, Brandenburg und der Bund auf die vermessene Idee gekommen sind, das Großprojekt in Eigenregie und mit nur einem, letztlich für alles verantwortlichen Geschäftsführer durchzuziehen, nachdem Verhandlungen mit privaten Bau-Konsortien gescheitert waren. Größenwahn oder falsche Sparsamkeit? Über die politisch Verantwortlichen im Aufsichtsrat, also Berlins Regierendem Klaus Wowereit und Brandenburgs MP Matthias Platzeck, ist genug Kritik und Häme ausgeschüttet worden, ohne dass sie Konsequenzen gezogen haben. Flughafenchef Rainer Schwarz wird noch geduldet. Solange er nützlich ist. Aber wohl ohne Chance, bei der Eröffnungsfeier am Abflug-Gate zu stehen. Erstaunlich dagegen, dass die, die den ganzen Schlamassel mit verursacht haben, bislang zumindest öffentlich noch ziemlich ungeschoren davonkommen. Das sind auch zwei deutsche Hightech-Unternehmen von Weltruf, die sich systemrelevant an der Installierung einer behördlich genehmigungsfähigen Brandschutzanlage versucht haben. Vergeblich, wie wir wissen. Siemens und Bosch haben damit ihrem guten Ruf ebenso geschadet wie dem noch immer klangvollen "made in Germany". Ziemlich verheerend für eine Hochtechnologie- und Export-Nation, wenn rund um den Globus gespottet wird, die Deutschen könnten ja nicht einmal mehr einen Flughafen bauen. Dabei ist ein Flughafengebäude, verglichen mit einer Raffinerie oder einem Kraftwerk, ein nicht besonders anspruchsvolles Projekt. Die Weltkonzerne aus München und Stuttgart müssen endlich begreifen, was für sie, was für Berlin, was für Deutschland auf dem Spiel steht. Mit Willy Brandt dürfen sie sich keine weitere Panne erlauben. Schaden ist genug angerichtet worden. Wir Steuerzahler müssen zu den zuletzt genannten 3,1 Milliarden jetzt noch mindestens 1,17 Milliarden draufpacken. Und der Standort Berlin, zu dessen Lokomotive BER doch werden soll mit Zehntausenden neuen Arbeitsplätzen, kommt nicht wie versprochen voran. Um rund eineinhalb Jahre werde die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt zurückgeworfen, meint die Handelskammer. Noch ein Grund, draußen in Schönefeld endlich verlässlich zu planen, zu bauen und zu eröffnen.
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