BERLINER MORGENPOST: Noch ist Zeit zum Regieren
Berlin (ots)
Robin Alexander über die neuen Versprechungen von CDU, CSU und FDP im Wahljahr
Nachdem die bürgerlichen Parteien ein paar Wochen mit internen Debatten über Personal (FDP) oder ihre weltanschaulichen Standpunkte (CDU und CSU zur Homo-Ehe) verbracht haben, melden sie sich nun mit Vorschlägen zurück, die den Bürger etwas angehen: Die Liberalen möchten - so ihr Spitzenmann Rainer Brüderle - den Solidaritätszuschlag abschaffen. CDU und CSU hingegen haben auf einem klandestinen Treffen Mitte der Woche Rentenerhöhungen beschlossen. Na, das sieht doch fast nach Regieren aus. Leider nur, wenn man nicht genau hinschaut. Denn Brüderles Vorschlag, ein Vierteljahrhundert nach der Wiedervereinigung endlich die unter dem Euphemismus "Solidaritätszuschlag" firmierende Sondersteuer abzuschaffen, ist selbstverständlich richtig. Längst ist die Infrastruktur im Osten ja mindestens auf Westniveau. Der Vorstoß hat nur einen Haken: Die FDP will ihn erst nach der Wahl in Angriff nehmen. Warum soll sie dann mit fünf, sechs oder vielleicht sieben Prozent durchsetzen können, woran sie jetzt mit fast 14 Prozent scheitert? Sorry, Liberale: Diese Attacke auf den Soli ist leider nur Wahlkampf. Noch ärger treibt es freilich die Union. Hier konnten sich CDU und CSU nur darauf einigen, den Wählern ein Rentengeschenk zu versprechen, nicht aber darauf, welches. Die Merkel-Partei setzt eine Idee von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) um: Wer ein Leben lang gearbeitet hat, soll als Rentner nicht zum Sozialamt müssen. Klingt gut. Doch die Anhebung der Mini-Renten soll durch Umverteilung der Gelder der Beitragszahler bezahlt werden. Wer viel eingezahlt hat, stützt den, der wenig einbrachte. Außerdem würde wieder einmal hart erarbeitetes Einkommen stärker belastet werden als Einnahmen aus Mieten, Zinsen oder Gewinnen. Das ist nicht gerecht. Die CSU hingegen denkt nicht an die Armen von morgen, sondern an die Mütter von gestern. Sie will die Erziehung von Kindern, die längst selbst Kinder haben, nachträglich belohnen. Eine schöne Geste an die älteren Mütter - aber kein Signal, dass die Bayern den demografischen Wandel verstanden haben. Die harten Zeiten kommen noch - und sie kommen für die junge Generation, nicht für die, die jetzt schon alt sind. Lebensleistungs- oder Mütterrente - beides ergibt schon für sich allein wenig Sinn. Zusammen ist es in Zeiten der Schuldenbremse geradezu abwegig. Deshalb werden diese Pläne wohl auch nie umgesetzt. Sie sollen nur beschlossen werden, damit der Koalitionspartner oder später die Opposition im Bundesrat sie verhindert. Anschließend dürfen diese Vorschläge ins Wahlprogramm. Bis in eventuellen Koalitionsverhandlungen dann wieder - leider, leider - nichts zu machen ist. Politiker, die so vorgehen, nehmen weder ihre eigenen Parteiprogramme noch ihre Wähler ernst. Schwarz-Gelb hat ein Mandat für vier Jahre. Das beinhaltet nicht nur die Möglichkeit zu regieren, sondern auch die Pflicht dazu. Doch sechs Monate vor der Bundestagswahl hat schon die Zeit der Versprechen begonnen. Das ist zu früh.
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