BERLINER MORGENPOST: Endlich haften die Banken Sebastian Jost über die Europäische Union und das Rettungspaket für Zypern
Berlin (ots)
Europa hatte eine Woche lang genug Grund, sich über Zypern zu ärgern. Da will eine Regierung zunächst vermögende Bankkunden schützen und besteht deshalb auf eine Abgabe für Kleinsparer, die in ganz Europa Zweifel an der Sicherheit von Bankkonten schürt. Dann schlägt dieselbe Regierung vor, die Rentenkasse zu plündern. Und schließlich wird in den entscheidenden Sitzungen bis zur letzten Minute gefeilscht. Doch das Warten scheint sich gelohnt haben. Denn was die Finanzminister in der Nacht zum Montag in Brüssel beschlossen haben, könnte wegweisenden Charakter für künftige Stützungsfälle haben - auch wenn die Lösung ganz neue Risiken birgt. Dass die Staatsschuldenkrise in Wahrheit eine Bankenkrise sei, ist ein oft bemühter Satz, der nicht immer zutraf. Im Falle Zyperns jedoch gilt er ganz eindeutig. Dem Inselstaat drohte in erster Linie die Pleite, weil er allein nicht genug Geld aufbringen konnte, um die Not leidenden Großbanken des Landes aufzufangen. Bei den zyprischen Banken ergibt sich die besondere Konstellation, dass die Gläubiger zumeist die Sparer sind. Denn anders als viele andere Institute haben sie kaum Anleihen aufgelegt, wie sie üblicherweise von Banken, Versicherern und anderen Investoren gekauft werden. Die Investoren werden nun zwar konsequenterweise ebenfalls zur Kasse gebeten. Aber wer die Geldgeber der zyprischen Banken treffen will, landet auch bei den Privat- und Firmenkunden. Sie zu belasten ist folgerichtig, schließlich haben sie auch jahrelang von hohen Zinsen profitiert. Mehr Rendite gibt es in der Finanzwelt grundsätzlich nur gegen zusätzliches Risiko - und wenn die Sache schiefgeht, werden aus der erhofften Rendite eben Verluste. Gerade wegen der Besonderheiten der Insel ist der Zypern-Kompromiss jedoch noch nicht der große Befreiungsschlag gegen die Banken, in deren Geiselhaft der Steuerzahler geraten ist. Eine Beteiligung der Gläubiger bereitet den Finanzministern der Euro-Gruppe wenig Bauchschmerzen, solange es in erster Linie reiche Russen und andere Steuerflüchtlinge trifft. Jenseits von Zypern wird das kaum zu größeren Eruptionen führen. Die Lösung für Nikosia ist deshalb auch keine Blaupause für andere Banken-Schieflagen. Was man dort gewagt hat, würde man sich in Italien und Spanien kaum trauen. Während die internationalen Auswirkungen der zyprischen Bankenrestrukturierung beschränkt bleiben dürften, gilt das für die Insel selbst wohl nicht. Neben reichen Ausländern dürften auch viele zyprische Unternehmen einen erheblichen Teil ihrer Einlagen verlieren - das wird der Wirtschaft des Landes erheblichen Schaden zufügen. Außerdem ist die Radikalkur für die beiden Großbanken auch für die übrigen Institute Zyperns ein Schock. Es steht zu befürchten, dass dort ebenfalls viele Kunden vorsichtshalber die Konten plündern werden. Der Zypern-Kompromiss bedeutet deshalb ein großes Experiment. Von seinem Ausgang wird abhängen, wie Europa künftige Schieflagen von Banken angeht. Und ob sich der Steuerzahler tatsächlich aus der Zwangslage befreien kann, immer wieder für Not leidende Geldhäuser geradestehen zu müssen.
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