BERLINER MORGENPOST: Die Hilfe hat versagt
Leitartikel von Diana Zinkler zu Oxfam
Berlin (ots)
Kurzform: Längst ist aus der internationalen Hilfe ein Milliardengeschäft geworden, eines, das Jobs vergibt und erhält. Die Organisationen, wollen sie denn länger Spenden einsammeln, müssen umdenken. Entwicklungshilfe darf nicht länger mit Machtausübung einhergehen. Hilfsorganisationen müssen partnerschaftlich in den zu "entwickelnden" Ländern auftreten. Jegliche Überbleibsel einer kolonialen Haltung müssen nun der Vergangenheit angehören.
Der vollständige Leitartikel: Eine Kernaufgabe der Entwicklungshilfe ist es, die Welt besser zu machen. Solidarität mit Ländern und deren Bevölkerung zu zeigen, die durch Kriege stark geschwächt sind oder deren wirtschaftliche Situation so miserabel ist, dass das Geld der Menschen nicht für die Grundbedürfnisse Essen, Kleidung und Bildung reicht. Oder zu helfen, wenn tropische Wirbelstürme alle paar Jahre so zuschlagen, dass der Wiederaufbau allein von dem wirtschaftlich bereits sehr schwachen Land nicht zu leisten ist. So wie in Haiti. Genau dort, zeigt sich, hat die internationale Entwicklungshilfe versagt. Die britische Wohltätigkeitsorganisation Oxfam veröffentlichte, dass einige ihrer Mitarbeiter im Jahr 2011 auf der Karibikinsel Sexpartys mit Prostituierten feierten. In einem Report ist die Rede von sexueller Ausbeutung, Belästigung und Einschüchterung. Sieben Mitarbeiter, darunter der Oxfam-Leiter für Haiti, mussten gehen. Inzwischen gestanden auch andere wie Ärzte ohne Grenzen oder Plan International ähnliche Verfehlungen. Allen gemein ist, dass die Organisationen Maßnahmen ankündigen, um solche Ausschreitungen zu verhindern. Am wichtigsten ist sicherlich, dass es künftig ein internationales Verzeichnis geben soll, das solche Straftaten festhält. Und Mitarbeiter, die in einem Land auffällig geworden sind, nicht in einem anderen Land weitermachen können. Doch das reicht nicht. Die Entwicklungshilfe muss ihre Haltung neu überdenken. Die niederländische Autorin Linda Polman prangert seit Jahren die zweifelhaften Praktiken von Hilfsorganisationen an. Sie berichtet im Interview mit dem "Stern" von Mitarbeitern, die in großen Villen inmitten größter Armut leben, die Abhängigkeitsverhältnisse aufbauen, zu den Menschen, denen sie eigentlich helfen sollten. Sie nutzen ihre Macht und vergessen dabei die Moral. Diese Männer haben nicht nur ihren Job missbraucht, anderen Leid zugefügt, sie bringen auch das Gute in Verruf. Bei Missbrauch geht es häufig auch um Macht. Den Schluss zu ziehen, dass Macht nun zum Missbrauch verführt, ist falsch. Denn Tausende Helfer zeigen das Gegenteil. Sie kämpfen in den Flüchtlingslagern der Rohingya in Bangladesch gegen Hunger und Krankheit, heilen und pflegen im Jemen Opfer des Bürgerkriegs und versorgen die Kriegsflüchtlinge in den Nachbarstaaten Syriens. Und trotzdem ist es richtig, dass die Branche "Hilfsorganisationen" jetzt unter besonderer Beobachtung steht. Denn wie Unternehmen nehmen sie jährlich Milliarden ein. Geld, welches ihnen als Spende mit den besten Absichten anvertraut wird. Da ist es richtig, dass für die Mitarbeiter solcher Organisationen besonders hohe moralische Ansprüche gelten. Man kann eben nicht den Missbrauch damit rechtfertigen, dass er auch in jedem anderen gesellschaftlichen Bereich vorkommt. Das kann die wegen Missbrauchsvorfällen in Verruf geratene katholische Kirche nicht und das kann auch der Ortsverband der Freiwilligen Feuerwehr nicht. Wir dürfen uns nicht mit einer gewissen Dunkelziffer, mit einem zu kalkulierbaren Fehlverhalten abfinden. Vielleicht wäre es daher auch richtig, weil die Täter zumeist männlich sind, mehr Frauen in den Organisationen zu beschäftigen. Längst ist aus der internationalen Hilfe ein Milliardengeschäft geworden, eines, das Jobs vergibt und erhält. Die Organisationen, wollen sie denn länger Spenden einsammeln, müssen umdenken. Entwicklungshilfe darf nicht länger mit Machtausübung einhergehen. Hilfsorganisationen müssen partnerschaftlich in den zu "entwickelnden" Ländern auftreten. Jegliche Überbleibsel einer kolonialen Haltung müssen nun der Vergangenheit angehören.
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