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BERLINER MORGENPOST: Neue Chancen für Korea
Leitartikel von Michael Backfisch zu Nordkorea

Berlin (ots)

Kurzfassung: Die Ankündigungen der Gipfeltreffen zwischen Nordkorea und Südkorea sowie den USA klingen spektakulär. Die Gespräche bergen Chancen. Wird jedoch kein Durchbruch erzielt, ist die Enttäuschung groß. Es käme zu einer Verhärtung, die sehr wahrscheinlich in eine neue Eskalation münden würde. Das ist das Risiko an der Sache.

Der komplette Leitartikel: Es ist zunächst einmal eine gute Nachricht: In den Atom-Konflikt mit Nordkorea kommt Bewegung. Ein diplomatisches Räderwerk setzt sich in Gang, das durch frische Energie aus Pjöngjang, Seoul, Peking und Washington angetrieben wird. Bei seinem überraschenden Besuch in Peking hat Nordkoreas Diktator Kim Jong-un die Bereitschaft zur Entnuklearisierung seines Landes unterstrichen, falls die USA und Südkorea "synchrone Schritte" zeigen. Die neue Gesprächs-Dynamik hat einen einfachen Grund: Alle maßgeblichen Akteure sind an einer Entschärfung der Lage interessiert. Nordkorea, steinzeitsozialistisches Überbleibsel und Paria der internationalen Politik, will raus aus der Isolation. Kim verfolgt seit seiner Amtsübernahme im Jahr 2011 zwei strategische Ziele: Er verlangt eine Überlebensgarantie für sein Regime in Nordkorea und Verhandlungen mit Amerika auf Augenhöhe. Das Atom- und Raketenprogramm ist für ihn der Hebel, beides zu erreichen. Die geplanten Gipfeltreffen mit den Präsidenten Südkoreas und der USA betrachtet Kim als Belohnung für seine Bemühungen. Zudem hofft er auf ein Ende der Sanktionen. Auch China spekuliert auf Vorteile durch Entspannung. Das Riesenreich, der einzige Verbündete von Nordkorea, sah sich durch Kims Extratouren übergangen. Zum einen missfiel den Chinesen der nukleare Aufrüstungskurs des kleinen Nachbarn. Zum anderen waren sie bei Pjöngjangs Charme-Offensiven Richtung Seoul und Washington nicht eingeweiht. Mit Kims Aufwartung in Peking hat China auch ganz offiziell wieder seine traditionelle Rolle als Schutzmacht inne. Mehr Gewicht in der Korea-Krise könnte sich an anderer Stelle als nützlich erweisen: Peking wird versuchen, den USA Zugeständnisse im Handels-Clinch abzuringen. US-Präsident Donald Trump wiederum würde gern als der große Staatsmann in die Geschichte eingehen, dem es gelungen ist, den Atom-Konflikt mit Nordkorea friedlich zu lösen. Ein Unterfangen, an dem sich alle Vorgänger Trumps die Zähne ausgebissen haben. In Washington verbreitet man bereits fleißig die Botschaft, dass Kim nur infolge des "maximalen Drucks" der USA die Samthandschuhe herausgeholt hat. Diese neue geopolitische Entwicklung ist zweifellos bemerkenswert. Doch der Teufel steckt im Detail. Zunächst stellt sich die Frage, was Kim mit den "synchronen Schritten" meint, die Amerika und Südkorea unternehmen müssten. Sollte er den Abzug der US-Soldaten aus Südkorea und Japan - insgesamt knapp 80.000 Kräfte - fordern, dürfte er hier an seine Grenzen stoßen. An der Truppenpräsenz der Amerikaner im Pazifik wird Trump kaum rütteln. Die neuen Hardliner in seinem Kabinett - Sicherheitsberater John Bolton und Außenminister Mike Pompeo - werden alles tun, um ihren Chef einzubremsen. Die zweite harte Nuss: Wäre Kim wirklich bereit, eine lückenlose internationale Überwachung seiner Nuklearanlagen zu erlauben, wie die Iraner dies im Atomabkommen akzeptiert haben? Auf vage Versprechen wird sich Trump nicht einlassen. Zumal bereits Kims Vater Kim Jong-il Anfang der 2000er-Jahre Zusagen über die Einstellung seines Kernwaffen-Programms gemacht hatte, heimlich aber seine Nuklear-Pläne weiterbetrieb. Die Ankündigungen der Gipfeltreffen zwischen Nordkorea und Südkorea sowie den USA klingen spektakulär. Die Gespräche bergen Chancen. Wird jedoch kein Durchbruch erzielt, ist die Enttäuschung groß. Es käme zu einer Verhärtung, die sehr wahrscheinlich in eine neue Eskalation münden würde. Das ist das Risiko an der Sache.

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