BERLINER MORGENPOST: Zurück in die Zukunft
Leitartikel von Kerstin Münstermann zur Friedrich Merz
Berlin (ots)
Kurzform: Und ob ein 62-Jähriger, vor mehr als einem Jahrzehnt verbittert aus der Politik ausgeschiedener Aufsichtsrat-Chef einer amerikanischen Investmentgesellschaft tatsächlich einen Aufbruch darstellt? Jemand, der außerhalb der Politik sein Geld sehr gut verdient hat, in zahlreichen Gremien sitzt, aber an bedeutenden politischen Prozessen der letzten Jahre keinen Anteil hat? Das darf bezweifelt werden. Friedrich Merz ist ein Mythos, völlig zu Recht. Doch das sollte er bleiben.
Der vollständige Leitartikel: Laut und öffentlich gerufen hat zwar noch kein CDU-Grande nach ihm, dennoch verkündete der ehemalige Unionsfraktionschef Friedrich Merz seine Kandidatur für den CDU-Vorsitz am Dienstag nun auch öffentlich. Er wolle Verantwortung übernehmen, den "inneren Zusammenhalt und die Zukunftsfähigkeit der CDU" stärken, erklärte er via Pressemitteilung. Die Partei brauche "Aufbruch und Erneuerung" mit erfahrenen und jüngeren Führungspersönlichkeiten. Richtig. Doch mit Merz ginge die CDU zurück in die Zukunft. Es wäre ein Aufbruch zurück zu altem Personal. Auch wenn die Sehnsucht nach einem deutschen Sebastian Kurz, einem gemäßigten Populisten, in der CDU groß sein mag: Die Idee, mit scharfer Rhetorik deutlich weiter nach rechts zu rücken, sollte die christliche Partei ganz schnell vergessen. Auch wenn Merz der AfD sicher gefrustete CDU-Wähler abjagen könnte: Wenn die CDU den Teil der Mitte wieder aufgibt, den sie unter Angela Merkel von der SPD erobert hat, wird das Ziel, wieder Volkspartei zu sein, in weite Ferne rücken. Denn sowohl CDU als auch CSU haben bei den Landtagswahlen nicht nur an die AfD, sondern auch an die Grünen massiv Stimmen abgegeben. Das schlechte Abschneiden der CSU im Großstadtmilieu macht deutlich, dass die Union die Verbindung zur Mitte nicht abreißen lassen darf. Die Verteufelung des "Prenzlauer-Berg-Milieus" mit seinen linken Eliten durch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt war ein Fehler. Und ob ein 62-Jähriger, vor mehr als einem Jahrzehnt verbittert aus der Politik ausgeschiedener Aufsichtsrats-Chef einer amerikanischen Investmentgesellschaft tatsächlich einen Aufbruch darstellt? Jemand, der außerhalb der Politik sein Geld sehr gut verdient hat, in zahlreichen Gremien sitzt, aber an bedeutenden politischen Prozessen der letzten Jahre keinen Anteil hat? Das darf bezweifelt werden. Friedrich Merz ist ein Mythos, völlig zu Recht. Doch das sollte er bleiben. Die CDU sollte sich in den nächsten vier Wochen vielmehr die Frage nach Kurs, Inhalt und Wählbarkeit stellen. Merkel hat vieles geschafft in ihrer Zeit als Vorsitzende. Sie hat für eine gesellschaftliche Öffnung der CDU geworben, diese in weiten Teilen geschafft. Sie hat die Männerpartei CDU, nicht zuletzt durch unprätentiöses und schnörkelloses Auftreten auch für Frauen wählbar gemacht. Was sie versäumt hat, vor allem in den letzten Jahren, war das Kümmern um die Bedürfnisse, den Stolz und die Seele ihrer Partei. Ihre sehr liberale Flüchtlingspolitik und damit verbunden das Nichteingehen auf die Sorgen der Basis, hat Teile der Partei und auch Bürger nachhaltig und langfristig verärgert. Sowohl die Bundestagsabgeordneten der CDU, ihre Vereinigungen als auch Orts- und Landesverbände verlangen nach den Merkel-Jahren gleichermaßen nach einem deutlich konservativeren Profil, einem wirtschaftsliberaleren Kurs. Auch nach einer Stärkung der christlichen Werte, einer Besinnung auf Traditionen. Nach jemandem, der es schafft, die Partei wieder stärker zu einen und gleichzeitig einen Neuanfang zu verkörpern. Sowohl Generalsekretärin Annegret Kamp-Karrenbauer als auch Gesundheitsminister Jens Spahn werden diesem Anspruch gerecht. Was der Wähler nicht schätzt, sind Streit, scharfe Profilierung auf Kosten anderer. Diese Lehre aus dem Sommerdebakel, dem erbitterten und unsinnigen Streit mit der CSU über Zurückweisungen an den Grenzen, sollte die CDU auch im Kopf haben.
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