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BERLINER MORGENPOST: Ein tragischer Verlust - Christian Kerl zum Ergebnis des Brexit-Sondergipfels

Berlin (ots)

Es gab nichts zu feiern beim Brexit-Sondergipfel. Die Scheidung von den Briten ist für das vereinte Europa ein schlimmer, tragischer Verlust - politisch, wirtschaftlich, kulturell. Der Austritt Großbritanniens hat ökonomisch dieselbe Wucht, als wenn die 19 kleinsten der 28 EU-Staaten gleichzeitig den Klub verlassen würden. Aber es ist wie im richtigen Leben: Der Trennungsschmerz kommt später - erst mal können die EU-Unterhändler ihren Triumph über einen guten Scheidungsdeal nur noch mühsam verbergen.

Keine Frage: Die Briten sind der große Verlierer des Brexit-Pokers. Großbritannien wird anders als behauptet nicht so schnell die Kontrolle und Souveränität von der Europäischen Union zurückerhalten - die Mitspracherechte in Brüssel aber sind sofort weg. Die Brexit-Befürworter haben den Briten vorgegaukelt, man könne die Vorteile des Binnenmarktes genießen, dabei aber völlig unabhängig von der Europäischen Union sein. Dieses Versprechen löst der Deal nicht ein. Erst hatten die Brexiteers keinen Plan. Dann hatte Premierministerin Theresa May lange keinen Mut, die Luftschlösser der Austrittspropagandisten einzureißen. Und schließlich hat May vergeblich gehofft, sie könne die EU der 27 spalten.

In Brüssel saßen die besseren Verhandler. Sie zeigten sich allerdings härter als nötig, was jetzt zwar den Erfolg erklärt, aber doch auch die künftige Partnerschaft belasten könnte. Die EU-Mitgliedsländer haben nach dem ersten Schock schnell ihre Interessen definiert und daraus eine klare Strategie mit roten Linien abgeleitet. Und sie blieben geschlossen.

Drinnen ist schöner als draußen: Das wollte die Union unbedingt beweisen, sich selbst und den Briten. So ließen sie May gegen die Wand laufen. Nun ändert sich für Jahre trotz Brexits erst mal nichts. Das Vereinigte Königreich bleibt eng an die Europäische Union und ihre Regeln gebunden, muss weiter Milliarden nach Brüssel überweisen, hat aber nichts mehr zu sagen. Und auch mit einem dauerhaften Handelsvertrag könnte das Land später viel stärker den EU-Standards unterworfen sein, als Austrittsfreunde sich jemals vorgestellt haben. Gut möglich, dass der Brexit-Deal deshalb bei der Abstimmung im britischen Parlament noch scheitert.

Aber auch die Kritiker müssen wissen: Einen anderen Austrittsvertrag wird es nicht mehr geben. Die Risiken vor Augen dürfte am Ende doch eine Mehrheit der Abgeordneten zähneknirschend zustimmen. Und dann? Geht der Streit nach dem Austritt in die nächste Runde. Die Verhandlungen über einen Handelsvertrag und andere Abkommen werden mindestens so hart wie der Kampf um den Brexit-Deal. Sie werden Jahre dauern. Konflikte wurden nur vertagt. Die Briten haben trotz mancher Fesseln also noch viele Gelegenheiten, Revanche zu suchen. Die unterschiedlichen Interessen der Mitgliedstaaten werden, wenn es um die künftigen Beziehungen geht, bald aufbrechen. Andererseits hat sich die Union im Austrittsdeal ein Druckmittel gesichert: Wird keine Lösung für die innerirische Grenze gefunden, bleibt Großbritannien in einer Zollunion mit der EU - weitgehend mit Brüsseler Standards.

Für Brexit-Hardliner wäre dies die Kapitulation. Schon kursieren in London Dolchstoßlegenden. Das Land ist tief gespalten. All das ist Gift für jene freundschaftliche, vertrauensvolle Beziehung, die beide Seiten nach der Scheidung offiziell anstreben. Nein, es gibt keinen Grund zu feiern. Das Brexit-Abkommen steht. Das Brexit-Drama aber geht weiter.

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