Berliner Morgenpost: Wir sind alle gefordert
Leitartikel von Jörg Quoos zum Brandanschlag auf Berliner Synagoge
Berlin (ots)
Erst waren es Worte des Hasses. Dann kamen die beschmierten Wohnungstüren mit dem Davidstern. Jetzt flog der erste Brandsatz auf eine Synagoge. Seit dem Überfall der Hamas auf die Bevölkerung Israels hat sich in wenigen Tagen die Sicherheitslage für Jüdinnen und Juden in Berlin verschärft. Real - aber auch emotional, was nicht weniger schlimm ist nach den Erfahrungen, die Juden in Deutschland machen mussten.
Nur Ignoranten können übersehen, dass es ein riesiges Problem gibt mit offenem, gefährlichem Judenhass, dem sich nicht nur der Staat, sondern die gesamte Zivilgesellschaft mit ihrem ganzen Gewicht entgegenstellen muss. Justiz, Polizei, Innenbehörde und nicht zuletzt der Regierende Bürgermeister zeigen bislang klare Kante. Es ist richtig, die Hassdemos weiter zu verbieten, weil von ihnen nicht mehr Frieden, sondern nur noch mehr Hass und Gewalt ausgehen. Aber auch noch so viele Polizisten werden nicht verhindern, dass das Klima für jüdische Mitbürger rauer und gefährlicher wird.
In einer Millionenmetropole wie Berlin auf jedem Quadratmeter Sicherheit zu bieten, wird nicht möglich sein. Schon jetzt macht die Polizei viele Überstunden, um die Sicherheit jüdischer Einrichtungen zu garantieren. Um Juden im öffentlichen Leben ein Gefühl der Sicherheit zu geben, sind wir alle gefordert. Der Rabbiner Yehuda Teichtal hat es im Interview mit dieser Zeitung gut beschrieben: "Wenn die Mehrheit schweigt, dann hat das Folgen für die Realität des Lebens von jüdischen Menschen in Deutschland."
Wenn die Sicherheit Israels, wie der Kanzler sagt, Staatsräson ist - dann ist es erst recht die Sicherheit der Juden auf deutschem Boden. Und der Staat sind die Bürger. Jeder Einzelne kann etwas tun. Zum Beispiel Solidarität zeigen bei Mahnwachen und Demonstrationen. Widersprechen beim geschmacklosen Witz. Widersprechen, wenn krude Verschwörungstheorien auf Kosten von Juden Social Media fluten. Widersprechen, wenn barbarische Mordanschläge auf Zivilisten rhetorisch auf eine Ebene gehoben werden mit einer harten militärischen Reaktion. Widersprechen, wenn einem die Politik weismachen will, dass eine in großen Teilen illegale Migration der letzten Jahre keinerlei Sicherheitsprobleme geschaffen hätte.
Es ist ein Fakt, dass sich Juden in Deutschland durch manche arabischstämmige Gruppen bedroht fühlen, die ihren Judenhass bei der Einreise mitgebracht haben. Ja, man darf in diesen Fällen nie einen Generalverdacht formulieren, da hat der Bundespräsident recht. Es war schließlich ein deutscher Rechtsextremist, der 2019 einen Massenmord an jüdischen Gemeindemitgliedern in der Synagoge von Halle begehen wollte. Aber man muss bei jedem Fall genau und vorurteilsfrei hinsehen und darf unbequeme Wahrheiten nicht unterschlagen, nur weil sie vielleicht nicht ins eigene Weltbild passen.
Es ist leicht zu erkennen, in welchen Bezirken Berlins, Juden und dem Staat Israel der größte Hass entgegengebracht wird. Es sind die Gegenden, in denen sich über Jahre eine Parallelgesellschaft aufgebaut hat, die nicht nur durch Judenhass, sondern auch mit einem Berg weiterer Probleme für die Polizei auffällt. Hier rächt sich die Laxheit, die gleich mehrere Berliner Regierungen zu verantworten haben.
Es kann sein, dass die nächsten Tage entscheidend sind für die Sicherheit von Juden in Deutschland und in der ganzen Welt. Es liegt auch an unserer eigenen Zivilcourage, dass die "Tage des beispiellosen Zorns" keine unschuldigen Opfer finden.
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