Berliner Morgenpost: Kommentar - Bundespräsident
Berlin (ots)
Nun hat er auch dieses Amt, das höchste im Staate, mit dem er sich seinen letzten politischen Traum erfüllte, hinter sich gebracht. Schon heute eine eindeutige Antwort auf die obligatorische Frage, welche Spuren Johannes Rau als Bundespräsident denn hinterlässt, zu geben, ist sicherlich verfrüht. Getreu seinem politischen Credo Versöhnen statt Spalten hat er sich bemüht, die Menschen einander näher zu bringen. Das ist ihm in der für ihn typischen Mischung aus Ernsthaftigkeit, Charme und Witz in kleineren Runden meist überzeugender gelungen als bei seinen großen Auftritten. Dennoch werden einige Reden in Erinnerung bleiben. Etwa die, in der er Grenzen in der Bio-und Gentechnik aufzeigte, sein Plädoyer für einen stärkeren Integrationswillen der im Lande lebenden Immigranten aus anderen Kulturkreisen, schließlich seine letzte Berliner Rede, in der er der politischen Kaste, der er freilich selbst seine Karriere verdankt, und den Wirtschaftsbossen die Leviten las. Doch wirklich tiefe Spuren sind schwerlich zu finden. Zu sehr blieb Johannes Rau letztlich der alten Bonner Republik verhaftet, als dass er die neue große Hausforderung, den überfälligen tiefgreifenden Veränderungsprozess auch in diesem Land, sinnstiftend hätte begleiten können. Das kann, das muss zum zentralen Anliegen des neuen Präsidenten Horst Köhler werden. Mit seinem heutigen Amtsantritt verbindet sich nicht etwa die Erwartung auf einen Machtwechsel, sondern auf einen Mentalitätswechsel in Deutschland. Horst Köhler hat den großen Vorteil, dass er weiß, wovon er dann zu reden hat. Jüngst noch Chef des Internationalen Weltwährungsfonds ist er bestens vertraut mit den Chancen und Risiken der Globalisierung einerseits und den überfälligen Reformprozessen zu Hause andererseits. Dass der neue Präsident der erste ist, der nicht dem sattsam bekannten politischen Establishment entstammt, vergrößert zudem die Chance, seinem Werben um Vertrauen in eine Reformpolitik, die sich mutig und entschlossen der neuen Wirklichkeit stellt, zusätzliche Glaubwürdigkeit zu verleihen. Doch zu kurz denkt, wer Horst Köhler als kalten Reformator abzustempeln versucht. Sicher liegt ihm die Attitüde eines Bürgerpräsidenten eher fern. Aber dass Gerechtigkeit bei allen notwendigen Veränderungen in der Gesellschaft herrsche, auch dafür wird er sich energisch verwenden. Das ist mehr als nur eine Vermutung. Denn Horst Köhler wäre nicht das geworden, was er nicht erst seit heute ist, wenn es in diesem Land an sozialer Gerechtigkeit gemangelt hätte.
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