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Berliner Morgenpost: Anrüchiges Comeback
ein Kommentar von Dirk Hautkapp zum Amtsantritt von Donald Trump

Berlin (ots)

Es ist das anrüchigste politische Comeback der jüngeren Geschichte. Heute Mittag wird ein Mann mit der Hand auf der Bibel schwören, die amerikanische Verfassung zu bewahren, zu schützen und zu verteidigen, der vier Jahre zuvor an einem beispiellosen kriminellen Versuch beteiligt war, die legitimen Ergebnisse der Präsidentschaftswahl von 2020 zu kippen. Nur um selbst an der Macht zu bleiben.

77 Millionen Amerikaner sahen darüber hinweg und wählten Donald Trump trotzdem (oder gerade deswegen). Anders als 2017, als ein Novize ins Weiße Haus gespült wurde, der sich durch Anfängerfehler fortlaufend selber ein Bein stellte, bekommt die Welt es ab heute mit einem Mann zu tun, der mehr weiß als damals und vor politischer Kraft kaum laufen kann.

Mit dem Wahlergebnis im Rücken, mit einer stromlinienförmig ergebenen Partei, doppelten Mehrheiten im Kongress, einem gefügigen Obersten Gerichtshof, einer geschwächten vierten Gewalt und dem unbedingten Willen, Amerika einer Rosskur zu unterziehen, startet mit Donald Trump der wohl mächtigste US-Präsident der vergangenen Jahre in seine letzte Amtszeit. Aber nichts spricht dafür, dass Trump-2025 mit dieser Macht besonnener, fairer, ausgewogener, überparteilicher, berechenbarer, uneigennütziger und gemeinwohlorientierter umgehen wird als der Trump von 2017.

Die Wird-schon-nicht-so-schlimm-Verklärungen sind trügerisch. Mit Trump kann heute niemand garantieren, dass die Vereinigten Staaten eine liberale, dem Rechtsstaat verpflichtete Demokratie bleiben, die sich weiter den Idealen des Westens verschreibt. Seine auf Nationalismus, Egoismus und Protektionismus fußenden Drohungen an In- wie Ausland sind mehr als Lippenbekenntnisse eines Politentertainers, der von Provokation und Tabubruch lebt.

Weil Trump sich fast ausschließlich mit Jasagern und Extremisten umgibt, fehlen jene Korrektive im Kabinett, die 2017 das Schlimmste abwenden konnten. Wer wird diesmal verhindern, dass Trumps Instinkte und Impulse zu einer Katastrophe führen können? Man denke nur an den schwindelig machenden Aufstieg der Künstlichen Intelligenz. Der Einfluss der Tech-Barone um Elon Musk, die sich erst kürzlich bei Trump eingekauft haben, ist schon jetzt beängstigend. Dass es dazu kommen konnte, liegt neben dem tiefen Versagen der Demokraten nicht zuletzt an der Apathie, die sich in den USA breitgemacht hat. Das Land ist nach zehn Jahren Dauerbeschallung durch Trump (im Juni 2015 annoncierte er seine erste Kandidatur) wundgescheuert.

Wer Trump entkommen kann, der tut es. Der schaltet Fernsehen und Smartphone-Dreckschleudern wie X ab; der geistigen Gesundheit wegen. Wer sich weiter kritisch mit seinen permanenten Grenzüberschreitungen beschäftigt, gilt vielerorts als Beckmesser und Masochist. Der große Rest hat sich mit ihm arrangiert. Trumpismus ist Mainstream geworden. Wie kann das sein? Gesellschaften haben leider die Tendenz, auf destruktives Verhalten an der Spitze mit Absenkung ihrer Standards zu reagieren.

Was vor zehn Jahren auch in Amerika Schockwellen auslöste, erzeugt heute oft nicht mehr als ein Schulterzucken. Man gewöhnt sich an (fast) alles. Aber an Trump darf man sich nicht gewöhnen. Die beinahe kollektive Amnesie über Trumps erste Amtsperiode - das Chaos, die erbärmliche Flut von Lügen, die Unfähigkeit - ist gefährlich, denn allen Beschwichtigungsreden zum Trotz: Er wird sich reihenweise an Widersachern in Politik, Wirtschaft und Medien rächen und damit Staat und Gesellschaft schwächen.

Hat er schon gewonnen? Dass von Wirtschaftsbossen über Medienkonzerne bis hin zu den ersten Demokraten gerade eine fast flächendeckende Kapitulation stattfindet und Amerika vor einem labilen Autokraten vorauseilend auf die Knie geht, darf nicht entmutigen. Nicht zu verwechseln mit platter Dauerempörung: Demokratie braucht wehrhafte, kluge Demokraten. Gerade jetzt.

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