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WAZ: NRW-Regierungsparteien sind nervös Das verflixte dritte Jahr - Leitartikel von Peter Szymaniak
Essen (ots)
Einen so schlechten Start wie jetzt zu Beginn ihres dritten Regierungsjahres hat die schwarz-gelbe Mannschaft von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers noch nicht hingelegt: Erstmals stehen CDU und FDP in Umfragen ohne Mehrheit da, treten CDU-Abgeordnete gegen Reformen ihrer eigenen Regierung auf, rollt eine große Protestwelle heran: Kindergärten, Gewerkschaften, Sozialverbände, Kommunen.
Dabei sind die Bedingungen für Rüttgers so gut wie sie kaum eine Regierung in der Geschichte von NRW je erlebt hat: Die Wirtschaft brummt, die Arbeitslosigkeit sinkt, die Steuern sprudeln. Doch trotzdem würden Rüttgers' CDU nur 38 Prozent wählen - sieben Prozentpunkte weniger als 2005. Obwohl der Landtag erst in drei Jahren gewählt wird, reagieren die Regierungsparteien sehr nervös - alle ahnen: So gute Bedingungen sind bei der Kommunalwahl 2009 und der Landtagswahl 2010 nicht zu erwarten. Abgeordnete fürchten schon um ihren Wahlkreis und werden so aufmüpfig, dass Rüttgers Machtworte sprechen muss.
Was macht der Regierungschef falsch? Rüttgers hat kein klares Profil: Mal gibt er den eisenharten Reformer, mal will er der Sozialpapst, der Hüter der kleinen Leute sein. Rüttgers kündigt zwar monatelang neue Rechte für ältere Arbeitslose an, doch verwirklicht wird davon nichts. Er gibt sich zwar als Hüter der Kinder, sorgt aber nicht für Mittagessen an Schulen, sondern für höhere Kindergartenbeiträge und für Studiengebühren. Er stellt sich als Kämpfer für die Mitbestimmung dar, baut diese aber im öffentlichen Dienst ab. Seine CDU präsentiert sich diffus: Im Wahlkampf noch als wirtschaftsnahe Grünen-Hasserin, danach plötzlich als Umweltfreundin; erst als liberale Großstadt-Partei, jetzt als neokonservatives Auffangbecken. Die Bürger spüren: Da passt vieles nicht zusammen.
Rüttgers lässt zudem seinem Koalitionspartner FDP viel zu viel Spielraum. Die FDP prägt mit ihren neoliberalen Schlagworten das Bild der Regierung, doch die Aussagen treffen längst nicht mehr die Stimmung der Bevölkerung: Die Mehrheit denkt sozial, denkt links. So treibt die FDP die Gewerkschaften in die Arme der SPD zurück und die Bürger zur erstarkten Linkspartei. Führende Christdemokraten sehen die Gefahr, werben schon um die Grünen, um Optionen für den Machterhalt nach 2010 zu haben. Ein Zeichen von Schwäche.
Rüttgers ist jetzt in einer heiklen Phase. Wenn er nicht aufpasst, dann hat Schwarz-Gelb 2010 zwar das Land saniert, es regiert jedoch SPD-Chefin Hannelore Kraft.
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