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WAZ: Proteste gegen Nokia - Solidarität an der Ruhr - Leitartikel von Thomas Wels
Essen (ots)
Solidarität hat eine Heimat, aller Internationalisierung zum Trotz: Wo sonst als im Ruhrgebiet ist es denkbar, dass sich Opelaner (Autobau), Mitarbeiter von Thyssen-Krupp (Stahl), Steilmann (Textil) oder Hoesch Spundwand mit Macht an die Seite der von Entlassung bedrohten Handybauer stellen? Nokia bläst der Wind mächtig ins Gesicht, und man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen: Das ist erst der Anfang.
Für die betroffenen Nokianer ist der Beistand Trost, ob ernsthafte Hoffnungen an den Erhalt des Standorts zu knüpfen sind, scheint eher unwahrscheinlich. Die Konzernstrategen haben ihre Entscheidung im Weltmaßstab getroffen, kalt kalkulierend, ohne kurzfristige Not angesichts eines operativen Gewinns, der allein im dritten Quartal des vergangenen Jahres um 78 Prozent auf 1,4 Milliarden Euro gestiegen ist; noch dazu haben die Finnen mit scheinheiligen Argumenten auf Kostenbelastungen in Bochum verwiesen, die es so nicht gibt. Und sie haben bereits in Rumänien verhandelt, als das Verbot zur Verlagerung noch galt: Anfang 2006. Ende 2006 erst lief die Bindung aus, die an die Gewährung von 60 Millionen Euro Subventionen geknüpft war. Nun darf man von einem Rechenschieber keine Dankbarkeit erwarten, selbst wenn der Staat Geld verschenkt. Umgekehrt darf ein Unternehmen, das sich derart daneben benimmt, nicht wundern, wenn ihm das Fehlverhalten in der Öffentlichkeit und vor den Werkstoren lautstark vorgehalten wird. Und zwar zu Recht. Nokia erleidet einen enormen Imageschaden, den der Konzern auch nur mit vielen Millionen Euro wird heilen können, Geld, das den Betroffenen über Auffanggesellschaften hoffentlich Chancen auf eine neue Stelle eröffnet.
Ob alles klug und durchdacht ist, was manche nun in der ersten Empörung über die finnische Verlagerungsaktion sagen und ankündigen, ist freilich fraglich. Sollten die Opelaner in Bochum tatsächlich aus Solidarität die Bänder stoppen, entstehen Kollateralschäden, die wiederum Arbeitsplätze bedrohen. Auch die Politiker, die mehr oder weniger deutlich zum Boykott von Nokia aufrufen, wandeln auf einem schmalen Grat. Solche Aufrufe, zumal in Zeiten des Wahlkampfs, sind nicht gerade ein Ausweis für die Stabilität und Zuverlässigkeit des Standorts D. Der Kunde ist König. Als solcher hat er sich in Deutschland bisher weniger von ethischen Grundsätzen, mehr vom Preis leiten lassen. Das dürfte sich auch im Falle Nokia nicht ändern. Der selbstverschuldete Image-Schaden trifft die Finnen hart genug. Das Verhalten richtet sich selbst.
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