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WAZ: Artenschutzkonferenz - Geld regiert die Umwelt - Leitartikel von Martin Tochtrop

Essen (ots)

Das ganz große Rad wird auf der Bonner
Artenschutzkonferenz wohl nicht gedreht werden. Dazu ist das 
Prozedere (viel zu) langfristig angelegt. Immerhin verhandelt die 
Staatengemeinschaft schon seit 1992 über Verträge, die den rasanten 
Niedergang der Artenvielfalt auf unserer Erde zumindest verlangsamen 
sollen. Dass sich die Teilnehmer aber selbst im Jahr 2008 noch derart
schwer tun, wo sich die Katastrophe wissenschaftlich präzise 
vorhersagen lässt, das ist schon frustrierend. Bei den wichtigsten 
Punkten stocken die Gespräche: den Themen Schutzgebiete in Urwäldern,
der nachhaltigen Produktion von Biotreibstoffen sowie der 
Finanzierung des Artenschutzprogramms an sich.
Alle politisch wirklich heiklen Themen sind am letzten Tag der 
Konferenz zur Biodiversität noch nicht unter Dach und Fach. Da kann 
man nur hoffen, dass die am Mittwoch angereisten Minister Druck 
machen und ihren Arbeitsgruppen Flügel verleihen. Sofern sie das 
überhaupt wollen. Denn: Ein Land wie Brasilien wird nur schwer davon 
zu überzeugen sein, den Raubbau am Regenwald für die Produktion von 
begehrtem Biosprit zu stoppen. Hier geht es um die wirtschaftliche 
Entwicklung eines Schwellenlandes. Und da hat selbst Deutschland ein 
Problem mit seiner Vorbildfunktion. Ein Land, das nach 
jahrhundetelanger Ausbeutung und "Kultivierung" seiner Natur nur noch
ein winziges Stück Urwald (im Bayerischen Wald) besitzt.
Der einzige Durchbruch wurde auf dem Gebiet der Biopiraterie 
erzielt. Ärmere Staaten könnten mehr Mitspracherecht beim Zugang zu 
ihren natürlichen Ressourcen bekommen und an den Profiten beteiligt 
werden. Das ist ein wichtiger Erfolg für die Schwellen- und 
Entwicklungsländer - nicht aber für den Artenschutz. Denn hier geht 
es um eine rein finanzielle Debatte. Mini-Fortschritte zeichnen sich 
auch bei der Ausweisung von Meeres-Schutzgebieten in internationalen 
Gewässern ab. Mehr aber auch nicht. Das ehrgeizige Ziel, das 
Artensterben bereits bis zu den nächsten Verhandlungen 2010 in Japan 
zu stoppen, kann wohl in den Wind geschrieben werden. Und so fallen 
weiterhin jährlich 13 Millionen Hektar Wald der Kettensäge zum Opfer,
sterben täglich bis zu 150 Arten aus. Unersetzlich, auch nicht mit 
Geld. Der Bericht des Wirtschaftsexperten Pavan Sukhdev macht 
deutlich, was uns die Erde wert sein sollte. Allein die Überfischung 
der Meere könnte bis zu 100 Milliarden Dollar kosten. Wieder ein rein
finanzieller Aspekt, aber ein lebenswichtiger. Denn dass wir die Welt
rein aus Liebe retten, scheint utopisch. Jeder Mensch weiß, was sie 
regiert.

Pressekontakt:

Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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