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WAZ: Attentat auf Wachs-Hitler - Symbolik allein ist nicht genug. Leitartikel von Rolf Potthoff

Essen (ots)

Er soll ja ein gutmütiger Mensch sein, sagen seine
Freunde über den Mann, der Hitler köpfte. Aber jetzt riss ihm der 
Faden: Hitler im Wachsfigurenkabinett als Attraktion - das ging ihm 
dann doch zu weit.
Der Beifall vieler Gutmeinender ist ihm gewiss. Hitlers 
Enthauptung wird wie eine genugtuende Befreiung gewirkt haben. Was 
man verstehen kann; doch es ist nicht mehr als simple Symbolik. Und 
die schadet eher dem, was gegen Rechts noch zu tun ist.
Schwer getan hat sich die Nation im Umgang mit diesem Teil ihrer 
Geschichte von Anfang an. Verkrampft, verdrängend, verharmlosend und 
zu oft ritualisiert lief die "Aufarbeitung" ab. Als sich Hitler 1940 
als Sieger über Frankreich feiern ließ, lag ihm das Gros des Volkes 
zu Füßen. Ohne zigtausende Helfer wäre der Holocaust nicht denkbar 
gewesen. Doch nach dem Untergang schien es plötzlich so gut wie 
keinen NSDAP-Anhänger gegeben zu haben. Und in Scharen konnten Mörder
und Menschenschinder untertauchen oder kamen finstere 
NSDAP-Karriereritter trotz NS-Prozessen unbehelligt, "unbefleckt" 
davon.
Es quälte Nazi-Opfer zu erleben, dass einstige Parteibonzen auch 
in der Republik wieder zu Ämtern und satten Renten gelangten, während
viele Verfolgte und Entehrte vergeblich bis zu ihrem Tod auf 
Wiedergutmachung warteten. Rechtlich war das meist korrekt; doch 
politisch und moralisch blamabel. Auch war es falsch, die Opfer von 
Flucht, Vertreibung und Bombenkrieg zu übergehen. Erst ein halbes 
Jahrhundert "danach" holte Günter Grass mit seiner Thematisierung von
Flucht-Schicksalen Politik und Gesellschaft in die Gefühlswelt der 
Menschen zurück. Weil man jahrzehntelang deren meist schrecklichen 
Leidenswege ignorierte, öffnete man hier leichtfertig der 
neonazistischen Demagogie Tor und Tür.
Doch Geschichte wird nur dann bewältigt, wenn Nachgeborene 
Einsichten aus dem Vergangenen ziehen. Manche versuchen heute jedoch,
die Souveränität der "Berliner Republik" für den "Schlussstrich" 
unter die Vergangenheit zu nutzen. Bei anderen, die Vorbild sein 
müssten, verblasst die Erinnerung auf peinlichste Art. Etwa bei 
Ministerpräsident Oettinger, der den NS-Richter Filbinger in die Nähe
des Widerstands rückte. Und vor allem scheint sich bei manchem eine 
geistige und emotionale Abstumpfung gegenüber rechtslastigem Den-ken 
einzuschleichen. Das gilt es zu erspüren und zu bekämpfen. Übrigens: 
Die mit den Springerstiefeln, die sieht man. Faschistoide im 
Nadelstreif sieht man nicht. Aber sie sind gefährlicher als ein 
Hitler aus Wachs.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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