Alle Storys
Folgen
Keine Story von Westdeutsche Allgemeine Zeitung mehr verpassen.

Westdeutsche Allgemeine Zeitung

WAZ: Energie-Politik - Atom-Wahlkampf, ja bitte. Leitartikel von Thomas Wels

Essen (ots)

Es scheint so, als bekäme das Wahlvolk bei der
Bundestagswahl doch mehr geboten als groß-koalitionären Einheitsbrei:
SPD und Union rüsten das Thema Atomenergie auf zum Wahlkampfschlager.
Und das ist gut so. Die Energie und deren Preisentwicklung bewegt die
Bürger wie kaum ein zweites Thema, und wenn man den jüngsten Umfragen
glaubt, dann ist gut die Hälfte für eine Verlängerung der Laufzeiten 
und mithin die Änderung des Ausstiegsbeschlusses.
Das wiederum ist keine Kleinigkeit. Einen Vertrag, der als 
Atomkonsens von allen Beteiligten unterschrieben worden ist, darf die
Politik nicht mal eben so per Federstrich ändern. Verlässlichkeit ist
ein hohes Gut. Also müssen CDU und CSU als Befürworter einer solchen 
Änderung auf den Tisch legen, wie sie sich die Operation Atom 
vorstellen. Es kann nicht sein, dass die Energiekonzerne den steten 
Geldfluss aus ihren abgeschriebenen Meilern einsacken und an die 
Aktionäre ausschütten; und es kann auch nicht sein, dass ein neuer 
Atomkonsens wieder nur eine Halbwertzeit von wenigen Jahren hat.
Die Festschreibung des Atomausstiegs im Grundgesetz indes ist 
nonsens. Das würde nicht nur die Politik von ihrer Verantwortung 
entheben, sondern auch den Versuch darstellen, die Welt anzuhalten. 
Ist es nicht so, dass die Debatte gerade jetzt mit Macht aufbricht, 
weil sich Länder wie China und Indien ihren berechtigten Anteil am 
Wohlstand erarbeiten, dazu aber enorm viel Energie verbrauchen? Und 
könnte es nicht sein, dass irgendwann Techniker Meiler bauen, die 
eine Kernschmelze unmöglich machen, und noch dazu eine akzeptable 
Lösung für den Atommüll finden? Ginge es nach der SPD, könnte man 
einen Befürworter der Atomenergie fortan als Verfassungsfeind 
bezeichnen - was für ein Signal aus dem Land der Ingenieure und des 
Exportweltmeisters.
Was tun? Eine bedingungslose Verlängerung kann es nicht geben, 
zumal die Atomenergie natürlich auch staatlich subventioniert ist. 
Keine private Versicherung übernimmt die kompletten Kosten einer 
Havarie oder einer fehlgeschlagenen Endlagerung. Letztlich haftet die
Gesellschaft. Also müssen die Energieversorger den überwiegenden Teil
ihrer Laufzeit-Gewinne an die Gesellschaft zurückgeben: in Form von 
Forschungsinvestitionen in erneuerbare Energien, Speichertechniken 
und Fortschritte der Endlagerung. Eine Preisreduzierung allerdings 
ist nicht zu erwarten. Allenfalls hülfe eine Verlängerung, die Preise
nicht noch stärker steigen zu lassen.

Pressekontakt:

Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

Original-Content von: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Weitere Storys: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
  • 13.07.2008 – 19:34

    WAZ: Rätselraten um Einheitsbeitrag. Kommentar von Stefan Schulte

    Essen (ots) - Das beliebte Vergleichen der Krankenkassenbeiträge wird am 1. Januar ein jähes Ende erleben: Dann gilt erstmals ein Einheitssatz für alle Kassen. Nur wie hoch er sein wird, weiß noch niemand. Die Bundesregierung legt ihn im Herbst fest - bis dahin darf munter spekuliert werden. Dass der Beitragssatz erstmals ein politischer sein wird, zeigt ...

  • 11.07.2008 – 19:51

    WAZ: Der Preis fürs Wachstum. Kommentar von Christopher Shepherd

    Essen (ots) - Auch wenn die Deutsche Bank nicht um jeden Preis für die Citibank mitbieten wollte: Die Citigroup-Tochter wäre 4,9 Milliarden Euro durchaus wert gewesen, da die Deutsche Bank so ihr Privatkundengeschäft hätte stärken können. Das Geld dafür wäre auch da. Gut möglich aber auch, dass der deutsche Branchenprimus die Postbank mit ihren 14,4 Millionen Privatkunden als lohnenderes ...

  • 11.07.2008 – 19:49

    WAZ: Angst vor dem Pflegeheim - Der Gesellschaft einen Spiegel. Leitartikel von Stefan Schulte

    Essen (ots) - Roger Kusch hat einer alten Dame, die lieber sterben als ins Heim wollte, beim Suizid geholfen. Also diskutiert Deutschland über Kusch und Sterbehilfe. Doch in Wahrheit ist es das - für Kusch leider nebensächliche - Suizid-Motiv dieser Frau, das uns so aufwühlt. Sie fürchtete nicht Schmerzen, sondern ein qualvolles Leben im sozialen, nicht im ...