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WAZ: Nato droht Moskau - Russland hat den Bogen überspannt - Leitartikel von Gerd Niewerth

Essen (ots)

Als Dmitri Medwedew, der neue Chef des Kreml, seinen
Dienst antrat, keimte in Brüssel die zarte Hoffnung, im Verhältnis 
Europa - Russland könnte nun ein neues, unbekümmertes Zeitalter 
anbrechen. Ganz in dieses Bild passte der lang ersehnte Beginn der 
Verhandlungen über ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen 
zwischen der EU und Moskau. Doch der schreckliche Sechs-Tage-Krieg im
Kaukasus wird dieser kurzen Blüte ein jähes Ende setzen.
Nach der völlig überzogenen militärischen Reaktion Moskaus in 
seinem früheren Machtbereich können Nato und EU nicht so einfach zur 
Tagesordnung übergehen. Tagelang musste der Westen ohnmächtig mit 
ansehen, wie Moskau ganz im imperialen Stil der Sowjetunion das 
kleine, wenn auch nicht unschuldige Georgien mit seinen Panzern 
niederwalzte. Nun schweigen zwar die Waffen, der Krieg ist vorbei - 
aber von einem echten, tragfähigen Friedensschluss fehlt jede Spur.
Die Krisensitzung der Nato-Außenminister in Brüssel zeigte nun, 
dass der scheinbar so machtlose und zerrissene Westen allmählich doch
an Statur gewinnt. Mit dem Beschluss, den Nato-Russland-Rat auf Eis 
zu legen, hat sich die Tonlage spürbar verschärft. Aus der zunächst 
leichten Verkühlung hat sich nun ein Schnupfen entwickelt, der sich 
schlimmstenfalls zu einer fiebrigen Lungenentzündung ausweiten kann.
Auch wenn Moskau einen Rückfall in den Kalten Krieg strikt 
verneint: Die Fakten sprechen eine andere Sprache. Der russische 
Propaganda-Apparat läuft auf Hochtouren - fast so wie zu Zeiten 
Chruschtschows und Breschnews. Aber die Putins, Medwedews und 
Rogosins sind dabei, sich ins eigene Fleisch zu schneiden. Gewiss, 
Russland hat nach den Jelzin-Jahren wieder mächtig aufgeholt. Das 
Riesenreich mit seinen immensen Öl- und Gasvorkommen ist Europas 
wichtigster Energielieferant, Russland ist praktisch die Tankstelle 
Europas.
Die Besetzung Georgiens zeigt deutlich, dass sich die Machthaber 
in Moskau praktisch am Ziel wähnen: als Weltmacht auf Augenhöhe mit 
der Supermacht USA. Als Machtfaktor, der in seinem alten 
Machtbereich, heute heißt das unschuldig im "nahen Ausland", schalten
und walten kann. Die Gelbe Karte der Nato sollten die Zocker in 
Moskau als eindringliche Warnung verstehen. Denn auch wenn's schwer 
fällt zu glauben: Der Westen kann sein Öl und Gas auch woanders 
einkaufen. Nichts gegen den Dialog mit Moskau. Aber wer den Bogen 
derart überspannt wie Russland, hat nichts anderes verdient als eine 
harte Ansprache.

Pressekontakt:

Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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