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WAZ: Führungswechsel in der SPD - "Münte-Meier" - das letzte Aufgebot - Leitartikel von Norbert Robers

Essen (ots)

Alle Sozialdemokraten, mehr noch, die gesamte
politisch interessierte Republik diskutiert diese eine Frage: Ist der
SPD mit den Entscheidungen, Frank-Walter Steinmeier zum 
Kanzlerkandidaten und Franz Müntefering zum künftigen Parteichef zu 
nominieren, der ersehnte Befreiungsschlag gelungen? Oder handelt es 
sich nur um das letzte Aufbäumen vor dem Exitus?
Niemand kann ernsthaft behaupten, die Antworten auf diese Frage 
zu kennen. Zu verworren ist die Lage. Fest steht, dass Kurt Beck 
zuletzt vollkommen überfordert war. Die Liste seiner strategischen 
Fehler war lang, gleichzeitig hatte er nicht die notwendige 
Autorität, um die innerparteilichen Flügel- und Machtkämpfe zu 
unterbinden. Entsprechend groß war die interne Sehnsucht nach einem 
Neuanfang - personell ist der SPD ein Befreiungsschlag gelungen.
Die wesentliche spannendere Frage ist jedoch, ob das neue 
Führungsduo die Partei auch inhaltlich wieder in ruhigere Gewässer 
steuern kann. Die ersten Reaktionen lassen nicht nur Gutes erahnen. 
Beck ist kein Linker, aber er ließ es zu, dass sich die Partei nach 
links öffnete. Deswegen streuen die Links-Vertreter nicht ohne Groll 
das Gerücht, dass die Machtübernahme in Werder von langer Hand 
geplant und putsch-ähnlich verlaufen sei. Unabhängig vom 
Wahrheitsgehalt dieser These: Allein die Tatsache, dass ein Teil der 
Partei Steinmeier und Müntefering diesen Dolchstoß zutraut, ist Beleg
für das gegenseitige Misstrauen.
Darüber hinaus stehen der Kanzlerkandidat und der künftige 
Vorsitzende für genau jenen Teil der SPD-Politik, an dem die Genossen
zu verzweifeln drohen - Steinmeier und Müntefering sind zwei 
entscheidende Architekten der teilweise verhassten Agenda 2010. Die 
SPD-Linke rüstet zur Gegenattacke. Und wie halten es die beiden mit 
Andrea Ypsilantis geplantem rot-rot-grünen Gewurschtel in Hessen? 
Wollen auch sie deren Experiment tolerieren? Das wiederum treibt die 
Partei-Rechten zur Weißglut.
Steinmeier und Müntefering stehen vor den gleichen Aufgaben wie 
Kurt Beck, der daran gescheitert ist: Sie müssen den Exodus in 
Richtung Linkspartei stoppen, den Linken in der eigenen Partei somit 
konkrete Angebote machen und gleichzeitig die politische Mitte 
besetzen.
Ja, es stimmt - "Münte-Meier" ist das letzte Aufgebot. Das sagt 
allerdings nichts über deren Erfolgschancen aus. Denn eines dürfte 
allen Genossen seit Sonntagabend klar sein: Sollte auch das neue Duo 
scheitern - es wäre das bittere Ende der SPD.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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