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WAZ: Drama in Hessen - Die SPD zementiert ihre Zweiteilung - Leitartikel von Norbert Robers
Essen (ots)
Viele Sozialdemokraten, die auf die innerparteilichen Streitereien und Kon-troversen der vergangenen Monate angesprochen wurden, flüchteten sich in ihrer Verteidigungshaltung gerne in einen historischen Vergleich. Die große, alte SPD, argumentierten sie, hat bereits reichlich, teilweise existenzielle Krisen durchgestanden. Sie hat sie alle gemeistert. So wird es auch in diesem Fall enden. Es klang immer öfter wie das Pfeifen im Walde, Hoffnung pur.
Aber auch sie, die innerparteilichen Dauer-Optimisten, sind seit gestern um ein Stück Hoffnung ärmer. Gleich, ob sich die vier hessischen SPD-Rebellen früher als Gegnerin von Landeschefin Andrea Ypsilanti hätten outen müssen oder nicht: Es verfestigt sich einmal mehr der Eindruck, dass die SPD keine Gegner braucht, sondern ausreichend damit beschäftigt ist, sich selbst zu demontieren. Denn auch wenn die Heckenschützen ihrer Spitzenkraft bereits vor einer Woche die Gefolgschaft verweigert hätten: Dies hätte der SPD allein ein wie auch immer geartetes Gegensteuern ermöglicht - die innere Zerrissenheit wäre damit keineswegs kaschiert worden.
Trotz aller hessischen Besonderheiten: Die SPD zementiert ihre Zweiteilung in eine Rechts- und eine Links-Flanke. Historisch betrachtet, sind Flügelkämpfe zwar nichts Neues in der SPD - jede Partei hat ihre Abweichler und Heckenschützen. Neu ist für die SPD jedoch, dass sie von zwei Seiten in die Zange genommen wird: von einer sozialdemokratisch angehauchten CDU und einer Linkspartei, die ihre Oppositionsrolle populär-populistisch zu nutzen weiß. Für die ins großkoalitionäre Korsett gezwängte SPD bleibt nicht viel Raum für die Entwicklung eigener Ideen und Themen. Das Profil verblasst. Der Abwärtstrend hat eine gefährliche Dynamik entwickelt.
Weder Ypsilanti noch die Parteispitze haben Mitleid verdient. Das Elend ist hausgemacht. Das Versprechen, die Linkspartei in Hessen links liegen zu lassen, um kurz darauf eine Tolerierung einer rot-grünen Minderheitsregierung als akzeptabel zu propagieren, war der Kernfehler. Jeder dann folgende Versuch, die schwierige Frage des Umgangs mit der Linkspartei als irgendwie durchdacht darzustellen, war allein dazu angetan, die Lage zu verschlimmbessern.
Die SPD muss sich auf weitere Rückschläge einrichten, allemal in Hessen. Spätestens, wenn die linke Landtagsmehrheit die Etatpläne von Ministerpräsident Roland Koch stoppt, wird dieser auf Neuwahlen drängen. Die Erfolgschancen der SPD halten sich dabei in sehr engen Grenzen.
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