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WAZ: Kinderarmut im Ruhrgebiet - Es geht um die Zukunft - Leitartikel von Birgitta Stauber-Klein

Essen (ots)

Sie betrifft - grob gesagt - jedes dritte Kind in
den Ruhrgebietsstädten, und damit ist sie ein Massenphänomen: Die 
Armut durch Hartz IV. Hinzu kommen noch die Kinder, deren Eltern so 
wenig verdienen, dass sie gerade eben über das Existenzminimum hinaus
kommen. Für das Ruhrgebiet ist das ein ungeheurer Strukturnachteil, 
der nahezu jeden Vergleich mit anderen Regionen unmöglich macht.
Besonders plastisch lässt sich dies am Beispiel der Bildung 
verdeutlichen. Dass die Kinder in Bayern und Baden-Württemberg mehr 
wissen, dass sie auch mit Hauptschulabschluss fähig für eine 
ordentliche Berufsausbildung sind, dass sie besser lesen, schneller 
rechnen - man kann es nicht mehr hören. Zumal die Reaktion dieser 
Landesregierung - die nun mal die Hoheit über die Bildung im Land hat
- sich auf einen heftigen Reformeifer beschränkt, der jedoch das 
Grundübel der Benachteiligung gar nicht ausmerzen kann, solange die 
Kinder so abhängig von der Unterstützung durch das Elternhaus sind.
Allein weil es so viele sind, lernen arme Kinder im Ruhrgebiet 
schlechter als arme Kinder in München. Während hier der Ausflug auf 
den Erlebnisbauernhof ganz ausfällt, trägt dort die Masse der 
verdienenden Eltern eben die Fahrtkosten des vielleicht einzigen 
armen Kindes mit. Während es hier massenhaft Eltern nicht schaffen, 
ihre Kinder so zu unterstützen, wie es das Schulsystem nun mal 
erfordert, sind es dort einzelne Kinder, die obendrein vom 
Klassenverband aufgefangen werden können.
Es geht nicht um die Frage, ob das dreigliedrige Schulsystem 
besser ist oder die Einheitsschule. Es macht auch überhaupt keinen 
Sinn, die Schuld nur bei Eltern zu suchen, die weder Pausenbrote 
schmieren noch Klassenpflegschaftssitzungen besuchen. Entscheidend 
ist auch nicht die Höhe der - sicherlich zu niedrigen - 
Hartz-IV-Sätze für Kinder.
Es geht darum, den Heranwachsenden zu helfen, damit sie für die 
Zukunft eine Perspektive haben. Mit einem vollen Magen, einer 
ordentlichen Ausstattung und einer wirklich umfassenden wie 
individuellen Förderung. Genauer gesagt: Wir brauchen eine 
Schulspeisung, die völlige Lehrmittelfreiheit, mehr Lehrer und 
kleinere Klassen.
Schafft es diese Region nicht, die Masse von armen Kindern zu 
unterstützen, wird sie niemals ihr Ziel erreichen, sich ökonomisch, 
wissenschaftlich, gesellschaftlich und auch kulturell mit anderen 
Ballungsräumen vergleichen zu können.

Pressekontakt:

Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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