Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Welternährungsgipfel - Beten allein hilft nicht. Leitartikel von Silke Hoock
Essen (ots)
Niemand aus der Runde der führenden Industrienationen (G8) - bis auf den gastgebenden Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi - ist nach Rom gereist. Angela Merkel nicht, Nicolas Sarkozy nicht, und Barack Obama ist in China. Dabei soll es beim Welternährungsgipfel, der am Sitz der UN-Organisation für Landwirtschaft und Ernährung (FAO) stattfindet, doch um die Bekämpfung des Hungers in der Welt gehen. Aber das Fernbleiben der Politiker ist auch ein Bekenntnis. Nämlich dazu, welchen Stellenwert sie den Hungernden einräumen. Ihr Anfang des Jahrtausends proklamiertes Ziel, die Zahl der Hungernden von damals noch 840 Millionen Menschen bis zum Jahr 2015 zu halbieren, erweist sich als Lippenbekenntnis.
Aktuell hungern eine Milliarde Menschen - vor allem in Asien und Afrika. Alle sechs Sekunden stirbt ein Kind an Unterernährung. Wer angesichts dieser Zahlen und der wachsenden Weltbevölkerung keinen Handlungswillen zeigt, handelt menschenverachtend. Wer das Halbierungsziel erneut beschwört, ist nicht ernst zu nehmen.
Den 60 Staatschefs aus 191 Nationen den Handlungswillen abzusprechen, mögen diese als ungerecht empfinden. Immerhin geißelten sie den Hunger als "Schandfleck". Immerhin verpflichteten sie sich, Gelder für Entwicklungshilfe in länderspezifische Projekte zu investieren. Immerhin wollen sie die Bauern in den Entwicklungsländern in die Lage versetzen, ihre Produktivität zu erhöhen. Aber leider fehlt es in der gestern gemachten Erklärung an konkreten Zielen und Zahlen. Allein das Problem erkannt zu haben, reicht nicht, um die Menschen satt zu machen. Oder die im Überfluss vorhandenen Lebensmittel gerecht zu verteilen.
Jetzt müssen die Staatschefs den Mut haben, jenen Lebensmittelmultis die rote Karte zu zeigen, die Nutznießer der offenen Märkte sind. Die die armen Länder mit ihren Produkten überschwemmen, den Saatgutmarkt kontrollieren und die Preise kaputt machen. Die in großem Maße Anbauflächen kaufen, um Pflanzen für die Gewinnung von Biodiesel anzubauen. Immer zum Schaden der Kleinbauern, die dringend Hilfe benötigen. Damit sie ihre Produkte wieder in ihrem Dorf verkaufen und davon leben können. 80 Prozent (!) der Hungernden sind Bauern aus Entwicklungsländern.
Papst Benedikt XVI. hat den Gipfel-Teilnehmern die Leviten gelesen. Sie sollen endlich handeln. Selbst der Heilige Vater setzt angesichts des elenden Problems nicht mehr allein auf die Kraft des Gebets.
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