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WAZ: Hartz IV-Sätze in der Kritik - Kinder wollen dazugehören - Leitartikel von Lars von der Gönna

Essen (ots)

So viele Spielarten die Pädagogik uns an die Hand
geben will, der nächsten Generation ein gutes Leben zu ermöglichen, 
so einig ist sie sich über den Kern kindlichen Glücks: Kinder wollen 
dazugehören.
Dazugehören. Das liest sich so leicht. Im deutschen Elternalltag ist 
der Weg dahin längst ein Hindernisparcours gediegenen Ausmaßes. Denn 
eigentlich ist Dazugehören ein Gefühl. Aber längst wird es bei 
Kindern und Jugendlichen geformt und geprägt von einem Katalog, 
dessen Kapitel Konsum, Ästhetik, Trend, Coolness heißen. Können die 
Eltern etwas dagegen tun, da sie doch wissen sollten, um was es im 
Leben eigentlich geht? Weil sie besser durchschauen, wie lächerlich 
der Tanz um die goldenen Kälber von Mode-Labels und PC-Neuheiten ist?
Wenn das nur so einfach wäre.
Denn mögen Ältere die Zeit heraufbeschwören, als der weihnachtliche 
Gabentisch noch nicht unter einem Berg aktueller 
Betäubungs-Requisiten der Elektronik-Industrie ächzte. Mögen 
Moralisten stöhnen, dass Achtjährige heute zum Modefriseur getragen 
werden. Mögen 50-Jährige sich an Kindergeburtstage erinnern, da das 
größte Glück darin bestand, einen eigenen Kuchen gebacken zu bekommen
statt einen Gutschein für eine Party in einer Burgerbraterei mit 
bezahltem Clown: Nostalgie hilft wenig. Seinen Kindern zu helfen, 
heißt auch: Das Leben in dieser Welt zu akzeptieren.
Freilich: Dieses Leben muss man sich leisten können. Es ist teuer, es
kostet mindestens 20 Jahre lang - ein kleines Vermögen. Vermögen!, 
wie muss das in den Ohren einer Mutter klingen, die Hartz IV 
empfängt? Ihr Kindergeld? Wird angerechnet. Schulbücher? Sind bei 
Hartz IV nicht ausgewiesen, der Gesamtetat muss reichen. Ist Bildung 
etwa eine Mode? Ganz zu schweigen von Mitbringseln für den 
Kindergeburtstag, einer Klassenfahrt, der Mitgliedschaft im 
Sportverein. Der Gesetzgeber kennt und erkennt dafür bislang keinen 
Bedarf. Er schnürt ein Paket von Minimalbedürfnissen. Als 
Erziehungsberechtigter daran zu scheitern, ist nicht die Ausnahme, 
sondern die Regel. Im Ruhrgebiet ist mindestens jedes vierte Kind 
betroffen. Gäbe es nicht Omas, Tanten, Freunde - es sähe wohl noch 
finsterer aus.
Kinder wollen dazugehören. Für Hartz IV-Kinder ist das Gegenteil 
Gesetzestext. Damit leben sie in einer Gesellschaft, in der die 
Gleichheit des Menschen mit seiner Geburt endet. Dass der Staat 
gerade dabei zusieht, ist ein Trauerspiel. Am Dienstag wird sich das 
Bundesverfassungsgericht zur Rechtmäßigkeit der geltenden Sätze 
äußern. Ein Signal wäre bitter nötig.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de

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