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WAZ: Nur Hilfe zur Selbsthilfe - Kommentar von Dietmar Seher

Essen (ots)

Dass die Schlangen vor den Armenküchen länger
werden, ist die eine Wahrheit im Sozialstaat. Die andere: Wir sparen 
ja nicht an den sozialen Ausgaben. Wir geben immer mehr dafür aus. 
Über 50 Prozent des Bundeshaushalts. Das ist viel wie nie. Wo machen 
wir den Fehler?
Guido Westerwelle hat die Sozialstaatsdebatte holprig angestoßen. Das
war nicht hilfreich. Aber kommen muss sie, und sie darf nicht auf 
Hartz IV begrenzt sein. Denn es gibt einen Verdacht: Der Sozialstaat 
dient zu vielen, die ihn nicht wirklich brauchen. Und er dient damit 
zu wenig denen, die ihn dringend nötig haben.
Viele Deutsche betrachten das soziale Netz als jederzeit verfügbare 
Masse. Seit dem Ende der Wirtschaftswunderjahre gibt es diese 
Anspruchshaltung. Fahrkarten? Bitte kostenlos. Scheidungskosten? 
Übernimmt die Prozesskostenhilfe. Wer bezahlt den Kurlaub? Die 
Beitragszahler. Ja, auch der Firmenboss ist zu nennen, der seinen 
Mitarbeitern Hungerlöhne zahlt. Die werden zu Aufstockern, finanziert
durch den Staat.
Es gibt einen großen Irrtum. Sozialstaat ist Hilfe zur Selbsthilfe. 
Nicht mehr. Nicht weniger. Wer private Risiken vergesellschaftet, 
überfordert die Gemeinschaft. Er zwingt sie in die Schulden. Er 
verhindert Zukunftsinvestitionen und treibt die nächste Generation in
den Konkurs.

Pressekontakt:

Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de

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