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WAZ: Mehr Europa wagen. Leitartikel von Knut Pries

Essen (ots)

Offiziell stand das Thema Griechenland beim EU-Gipfel nicht auf der Agenda. Am Zug seien jetzt die Griechen, hieß es. Damit die nächste Tranche internationaler Kredithilfe fließen könne, müsse auch die Opposition in Athen dem Sparprogramm zustimmen. Klingt gelassen, ist es aber nicht. Den EU-Oberen steht der Schweiß auf der Stirn. Es brennt lichterloh, und jedem ist klar: Das Feuer löschen die Griechen nicht allein.

So haben sie den widerspenstigen griechischen Oppositionschef Samaras in Brüssel mit Bitten und Drohen bedrängt, den Widerstand gegen das Sanierungsprogramm aufzugeben. Zugleich wurde dem erbosten griechischen Fußvolk, das gegen die Kürzungen auf die Straße geht, signalisiert: Es gibt auch eine Belohnung in Gestalt von leichter zugänglichen Fördermitteln. Entbehrung lohnt sich! Oder wie Kommissionschef Barroso sagte: "Wenn Griechenland handelt, werden wir liefern!" Doch es sieht danach aus, dass alles Handeln und Liefern nicht reichen wird.

Anderthalb Jahre nach Ausbruch der Krise verfestigt sich der Eindruck, dass es den Griechen nicht gelingen wird, sich gleichzeitig gesund zu sparen. Dicht unterhalb der offiziellen Stellungnahmen wird immer öfter die Einsicht angeboten: Die sind pleite, sie bleiben pleite. Und es scheint teurer, diesen Befund zu leugnen, als ihn zuzugeben.

Auf der Habenseite all der Bemühungen sind nur zwei Posten zu verbuchen. Erstens: Die Zahlungsunfähigkeit kommt nicht mehr als Schock. Man hat sich an den Gedanken gewöhnt, die Märkte haben ihn weitgehend eingepreist. Die Folgen einer Pleite werden dennoch bitter sein. Der zweite Fortschritt ist ein schärferes Bewusstsein vom Ernst der Lage. Scheitert der Euro, scheitert Europa, hat Angela Merkel gesagt. Und damit scheitere die Idee der europäischen Integration. Je mehr der Verdacht zur Gewissheit wird, dass der Euro-Club nicht umhin kommt, die Zahlungsunfähigkeit eines Mitglieds zuzugeben, desto näher rückt Merkels Schreckensszenario. Es wird sich nur vermeiden lassen, wenn Merkel und Co. sich im Gegenzug trauen, die fundamentale Schwäche zu beseitigen, für die alle zusammen verantwortlich sind: den Mangel an Bereitschaft zur politischen Gemeinsamkeit, ohne die eine gemeinsame Währung auf Dauer nicht überlebt - wenn sie sich trauen, mehr Europa zu wagen.

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