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WAZ: 2011 - ein Jahr wie fünf. Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Überlebt der Euro das nächste Jahr? Führt die Arabellion in die Demokratie? Gibt es Krieg mit dem Iran? Fällt Amerika unter die Republikaner? Geht Merkozy weiter? Bleibt die deutsche Wirtschaft stabil?

Wir hätten gerne Antworten. Es sind ja wichtige, weltpolitische, weltwirtschaftliche Fragen. Sie ließen sich beinahe beliebig vermehren. Die Antworten kann niemand kennen. Kein Orakel weiß, ob 2012 fortschrittlich oder rückschrittlich werden wird. Beunruhigend, dass beides möglich ist. Ein Satz noch zu 2011: Dieses Jahr hielt so viel weltbewegende Nachrichten bereit, dass es auch für fünf Jahre hätte reichen können. Kein Wunder also, dass eine der Sehnsüchte auf Neudeutsch so heißt: Entschleunigung.

Sonderlich beunruhigt scheinen die Deutschen auf die Zukunft ihrer gerade mal zehn Jahre alten Währung nicht zu schauen. Näher scheint vielen die neue, schmerzhafte Erkenntnis zu liegen, dass ihr Geld nicht mehr für sie arbeitet. Was den Euro anbelangt, so kann man seriös nicht einmal die Frage beantworten, ob die Politik es mit der Retterei richtig gemacht hat.

Wie sieht nach dem euphorischen arabischen Frühling der arabische Sommer aus? Lässt sich die europäische Erfahrung - auf beseitigte Despoten folgen Demokratien - auf die Mittelmeer-Anrainer übertragen? Oder lassen diese sich verführen von einer Mischung aus Nationalismus, Islamismus und Neoliberalismus? Immerhin hat der Westen, gern zu Gast in Gaddafis Zelt, schon einmal lernen dürfen, dass Despoten und Dynastien nicht unzerstörbar sind.

Gut ist, wenn immer mehr Russen glauben, es handle sich bei Putin nicht um einen lupenreinen Demokraten. Gut ist, wenn Obama, der im Frühjahr schon aussah wie ein Verlierer, angesichts der öffentlich demonstrierten Unfähigkeit seiner Herausforderer jetzt wieder eine Chance hat. Gut ist für China, wenn das Land pro Jahr 300 000 Ingenieure hervorbringt. Gut ist für Deutschland, dass unsere Ingenieure besser sind.

Fazit: Wenn auch in der Welt da draußen 2012 alles anders bleibt, hier dennoch ein paar unverdrossene Wünsche: Die Finanzwelt möge zum Prinzip Verantwortung zurückkehren (wer Mist macht, zahlt). Die Wirtschaftswelt möge mehr auf ihre Beschäftigten als den Aktienkurs schauen. Der Staatsbürger verlangt Klarheit und Gerechtigkeit. Für jene, in deren Macht es liegt, dafür zu sorgen: Was für eine Chance.

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