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WAZ: Kampf um unsere Stabilitätskultur - Leitartikel von Thomas Wels

Essen (ots)

Es wäre vermessen, das Jahr 2012 mit Blick auf das anhaltende Euro-Desaster als das Jahr der Lösungen zu bezeichnen. Es wird das Jahr der Weichenstellungen, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Zwei Jahre lang eierten die Regierungen der Euro-Länder durch die Krise. Erst auf dem Dezember-Gipfel zeigte die Kanzlerin Führungsstärke. Sollten automatische Strafen für Schuldensünder und nationale Schuldenbremsen Vertragsrecht werden - die Gemeinschaft wäre bei der Ursachenbekämpfung der Malaise einen Schritt weiter. Ob es so kommt, ob es schnell genug so kommt, darf man bezweifeln. In Deutschland hat die Selbstfesselung der Politik einige Jahre mit heftigen Diskussionen in Anspruch genommen, bis die Schuldenbremse Verfassungsrang bekam. Das wird in den anderen Euro-Ländern nicht anders sein. Absichtserklärungen aber reichen den Akteuren auf den Finanzmärkten schon lange nicht mehr aus. Durchschlagender wäre es, der Vertrauens- und Schuldenkrise mit Schuldentilgungsfonds zu begegnen: Alle Verbindlichkeiten über 60 Prozent der Wirtschaftsleistung kommen in den Topf, und die Staaten verpflichten sich, binnen 20 Jahren die Schulden zu tilgen. Das wäre schneller zu machen, glaubwürdig wäre es auch. Die Bundeskanzlerin muss daran ein fundamentales Interesse haben. Gelingt es nicht, das Vertrauen in die Solidität der Euro-Haushälter wiederherzustellen, wächst der Druck vor allem auf Deutschland: Im ungünstigen Fall droht eine Vergemeinschaftung der europäischen Schulden, womit deutsche Steuerzahler die Zinslasten von Italienern, Spaniern oder Griechen mitbezahlen; im schlimmsten Fall drohen die Notenpresse und Geldentwertung über wachsende Inflation, womit die kleinen Sparer die Last zu tragen haben. Die Debatte über die Rolle der Europäischen Zentralbank kommt so sicher wie der nächste Krisengipfel. Und Deutschland steht ziemlich einsam da: Erstens hat kein anderes Land die Erfahrung zweier Hyperinflationen im Volksgedächtnis. Zweitens sind Notenpresse und/oder Schuldengemeinschaft für die anderen Regierungen der deutlich bequemere Weg als der radikale Schuldenabbau. Fazit: Merkel hat recht: 2012 wird hart. Sie wird nicht nur um den Euro kämpfen müssen, sondern auch um die deutsche Stabilitätskultur. Wehe, wenn Sarkozy hier von der Fahne geht.

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