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WAZ: Deutschland und seine SPD. Kommentar von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Wirklich schade, dass Angela Merkel morgen in Leipzig beim großen Geburtstag der SPD nicht spricht. So wird man nicht erfahren, ob sie den Mut aufgebracht hätte, sich für die vielen sozialdemokratischen Projekte zu bedanken, die sie für die CDU, nun ja, gekapert hat. Die aktuellste ist die Idee von der Frauenpartei. Wobei in diesem Beutezug die SPD wertvolle Hilfe geleistet hat, sodass am Ende Angela Merkel plus Ursula von der Leyen gegen Peer Steinbrück und Klaus Wiesehügel stehen. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, wer bei der wahlentscheidenden weiblichen Gruppierung die besseren Chancen hat. Gibt es noch jemanden, der nicht für gerechte Löhne wäre? Gegen prekäre Beschäftigung? Für Einwanderung. Gegen Atomenergie. Für die Kappung der Bankenmacht. Gegen den Casino-Kapitalismus. Der Geist der Zeit weht, wo er will. Seit einigen Jahren weht er jedenfalls nicht mehr liberal, sondern sozialdemokratisch. So richtig freuen sich Sozialdemokraten aber nicht über diesen Erfolg. Vielleicht liegt das an Angela Merkel, der Freibeuterin. Vielleicht an der ungeliebten Schröder-Agenda, die umso unbeliebter in der Partei zu werden scheint, je mehr deren Erfolg für Deutschland sichtbar wird. Vielleicht liegt das aber auch an der Geschichte der SPD, mehr noch an den sozialdemokratischen Genen. Sozialdemokraten sind Pragmatiker, staatstragende Reformer, keine Revolutionäre. Sie waren, wie es der Historiker Heinrich August Winkler sagt, "die Staatsgründungspartei der ersten deutschen Demokratie", der Weimarer Republik. Im März 1933 stimmte sie als einzige Partei gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz. Nach dem Zweiten Weltkrieg brauchte sie eine Weile, um ihren Frieden mit Westbindung und Marktwirtschaft zu machen, um Ende der sechziger Jahre die deutsche Außen- um die Ostpolitik zu bereichern. Stets Staat vor Partei - so staatstragend Sozialdemokraten sind, sie haben einen idealistischen Kern. Sie wollen die Welt besser machen, jeden Tag ein bisschen gerechter. Wer so denkt, wird niemals fertig.

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