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WAZ: Hätte, hätte Schlandkette. Kommentar von Ulrich Reitz
Essen (ots)
So geht es nicht weiter. Angela Merkel gegen Peer Steinbrück, so, als ob es in Deutschland zuginge wie in Amerika. In den USA werden Präsidenten direkt vom Volk gewählt. In Deutschland ist es ganz anders, auf jeden Fall viel komplizierter. Ein ausgeklügeltes System von direkter und indirekter Demokratie. Wähler entscheiden sich für einen Abgeordneten in ihrem Wahlkreis und mit der weiteren Stimme für die Partei ihres Vertrauens (oder die ihres geringsten Misstrauens). Dann bildet sich eine Koalition. Anschließend wählen die Parlamentarier einen Bundeskanzler. Wie bringt man diese Komplexität ins Fernsehen? Jedenfalls nicht, indem sich die TV-Anstalten vom Kanzleramt ein Format diktieren lassen. Die kleineren Parteien sollten nicht dabei sein - bitte sehr, gewährt. Sie stritten dann gestern Abend untereinander, als ob sie gegeneinander in Konkurrenz stünden. Dabei konkurrieren Union und FDP doch mindestens ebenso heftig miteinander wie SPD und Grüne. Oder SPD und Linkspartei. Also auch im zweiten sogenannten Duell eine Vorspiegelung falscher Tatsachen. Das Duell, so die weitere Vorgabe aus dem Kanzleramt, soll drei Wochen vor der Wahl stattfinden - bitte sehr, gewährt. Bis zur Wahl haben sich dann Fehler versendet, lautet das Kalkül. Medien sind in Deutschland so etwas wie eine vierte Gewalt. Sie haben eine staatstragende Rolle, weil sie den Wählern ermöglichen, sich zwischen Parteien und (Wahlkreis-)Kandidaten zu entscheiden. Dieser Rolle werden die Sender mit den beiden Formaten nicht gerecht. Sie bleiben unter ihren Möglichkeiten. Weshalb entwickeln die Fernsehanstalten nicht ein lebendiges Format, das die politische Wirklichkeit in Deutschland wahrheitsgemäßer abbildet? Wenn sich die Wähler erst kurz vor der Wahl entscheiden, weshalb dann nicht eine Sendung - mit Vertretern aller Parteien statt einem High-Noon-Thriller, der mit dem Land nichts zu tun hat - eine Woche vorher? Und falls dann irgendjemand, und sei es die Bundeskanzlerin, wissen lässt, unter diesen Umständen werde sie nicht erscheinen, dann soll sie es doch lassen.
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