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WAZ: Die Debatten stehen noch bevor - Kommentar von Michael Kohlstadt zur Bundeswehr
Essen (ots)
Manchmal löst ein einziges Wort eine ganze Debatte aus. Mit Erfolg übte sich jetzt Außenminister Frank-Walter Steinmeier in dieser Disziplin. In dieser Woche hatte Steinmeier das Nato-Militärmanöver an der Grenze zu Russland per Zeitungsinterview in die Nähe von "Säbelrasseln" gerückt. Steinmeier, der plötzliche Putin-Versteher? Damit irritierte der SPD-Politiker nicht nur den Koalitionspartner CDU.
Man darf unterstellen, dass Deutschlands Chefdiplomat Ursache und Wirkung im Konflikt zwischen Russland und dem Westen genauestens kennt. Liest man das ganze Interview auf der Internetseite des Auswärtige Amtes, schwächt sich die vermeintliche Kritik am Russland-Kurs der Nato ab. Niemand könne den vorgesehenen Umfang der Nato-Maßnahmen als Bedrohung für Russland werten, hebt Steinmeier dort eben auch hervor.
Dennoch hat der in Umfragen so beliebte Politiker an einer tief liegende Spaltung in der bundesrepublikanischen Seele gerührt: die Sehnsucht nach Sicherheit und die Erwartung, für diese Sicherheit möglichst wenig selbst Sorge, sprich: eine Waffe tragen zu müssen - aus Angst vor den Dämonen der eigenen Geschichte. Nicht ohne Grund bewegt sich des Deutschen Verhältnis zu seinem Militär zwischen Gleichgültigkeit und Abneigung. Selbst Uniformen sind vielen Deutschen suspekt. Weil das so ist, erschöpft sich die gesellschaftliche Debatte darüber, welche Rolle die Bundeswehr in einer Welt voller Konflikte spielen soll, meist in Schlagworten. In der Frage, ob unsere Grundwerte am Hindukusch verteidigt werden müssen oder nicht, ist dieses Land seit dem Ende des Kalten Krieges jedenfalls kaum weiter gekommen.
Die Diskussionen stehen uns freilich noch bevor. Viele Nato-Partner erwarten ein höheres militärisches Engagement der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt. Wie darauf reagieren? Man stelle sich vor: Würde Deutschland entsprechend seiner Wirtschaftskraft aufrüsten, stünde im Herzen des Kontinents bald die mit Abstand stärkste Militärmacht Europas. Das kann niemand wollen. Auch hier gibt es also nur eine Lösung: die europäische.
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