Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Kommentar von Wilfried Beiersdorf: Nur gut gemeint
Wirtschaftsforscher schlagen
Sofortprogramm vor
Essen (ots)
Da ist einigen Wirtschaftsforschern offenbar der Kragen geplatzt. Der drohende wirtschaftspolitische Stillstand bis zur Bundestagswahl 2006 hat die Experten zu einem ungewöhnlichen Vorstoß veranlasst. Mehrere Wirtschaftsforschungsinstitute schlagen ein Sofortprogramm für mehr Jobs und Wachstum vor.
So überraschend der Vorgang ist, so wenig neu sind die Vorschläge der Forscher. Die Entbürokratisierung von potenziellen Zukunftsmärkten soll die Innovationskraft der deutschen Wirtschaft stärken. Da fragt man sich: Warum sollen nur so genannte Zukunftsmärkte von Bürokratie entlastet werden? Leiden darunter nicht alle?
Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung soll um einen Prozentpunkt sinken. Warum das den Anreiz zur Schaffung neuer Arbeitsplätze erhöhen soll, bleibt rätselhaft. Ohne zusätzliche Absatzchancen stellt kein Unternehmen auch nur einen Mitarbeiter mehr ein. Das zeigt die jüngste Vergangenheit: Obwohl die Wirtschaft von Steuern und Abgaben entlastet worden ist, entstanden unter dem Strich nicht mehr Stellen.
Die zunehmenden Appelle der Politiker an Unternehmer, die finanziellen Spielräume zu nutzen und auch aus moralischer Verpflichtung heraus endlich neue Jobs anzubieten, sprechen Bände.
Bleibt der Vorschlag der Forscher, den Solidaritätszuschlag abzuschaffen. Das wird in der Tat Zeit. Schon 1994 hatten Politiker versprochen, dass die Sondersteuer Ost bald verschwinden werde. Jetzt könnte das den privaten Konsum ankurbeln. Doch da wird es ganz nebulös: In ihrem Sofortprogramm schlagen die Wirtschaftsexperten auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer vor. Damit würden die Konsumenten - vor allem jene ohne Arbeit - aber gleich wieder belastet.
Wie so mehr Wachstum und Arbeit entstehen soll, bleibt unklar. Aber damit passt der Katalog der Institute zur aktuellen Wirtschaftspolitik, die zunehmend hilflos erscheint.
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