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WAZ: Der Umgang mit der Erinnerung: Berliner Rückspiegel - Leitartikel von Uwe Knüpfer
Essen (ots)
Es gibt sie noch immer, und es wird sie wohl immer geben: Deutsche, die nicht wahr haben wollen, dass Deutsche sechs Millionen Juden umgebracht haben - und Sinti und Roma und Kommunisten und Sozialisten und Behinderte und Polen und rund 20 Millionen Bürger der Sowjetunion. Deutsche, denen bei der Erwähnung solcher Zahlen nichts anderes einfällt als zu rechten: wer denn da so genau gezählt habe? Und hätten nicht auch Angehörige anderer Völker Verbrechen begangen? Sei Stalin etwa besser als Hitler gewesen? Als wenn es darauf ankäme. Immer mal wieder wird in unserem Land darüber diskutiert, ob nicht endlich Schluss sein müsse mit der Rückschau, der Besinnung und der Selbstanklage. Nein, damit wird niemals Schluss sein können. Wer auf seiner Fahrt durchs Leben nicht regelmäßig in den Rückspiegel blickt, läuft Gefahr, von Gespenstern der Vergangenheit ein- und überholt zu werden. Zumeist allerdings, das weiß jeder Autofahrer, muss der Blick nach vorn gerichtet sein. Deshalb ist diese so typisch deutsche Debatte so müßig: Als ob wir die Wahl hätten, entweder schuldbelastet zurück zu blicken oder optimistisch nach vorn! Auch dem Bau des Berliner Denkmals für die ermordeten Juden Europas ist ein quälender Streit vorausgegangen. Noch ein Denkmal? So ein Denkmal? An diesem Ort? In dieser Größe? Der erste Eindruck: Das Beste an dem Denkmal ist seine unterirdische Ergänzung. Hier wird die Aufmerksamkeit des Besuchers klug auf Einzelschicksale gelenkt; Horror steckt immer im Detail, Leid ist immer persönlich. Hierhin sollte jeder gehen, der sich die Frage stellt, ob Erinnern sein muss. Und vor allem jeder, der die Verbrechen Nazi-Deutschlands irgendwie einordnen will. Das neue, schicke Berlin ist durchaus in Gefahr, allzu selbstvergessen und selbstverliebt ausschließlich nach vorn zu blicken. Dieses Mahnmal tut der Hauptstadt gut.
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