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WAZ: Forderungen nach Bundeswehr-Einsatz gegen Terror: Wahlkampfgag - Leitartikel von Hendrik Groth
Essen (ots)
Binnen zehn Tagen fürchterliche Anschläge in Großbritannien, Israel, Irak und der Türkei. Nichts fällt in einer solchen Situation leichter als die grobe Vereinfachung. Es ist ein typischer Reflex von Politikern, jetzt Härte gegen den Terror zeigen und dokumentieren zu wollen. Unfreiwillig hilflos wirken da Forderungen wie die des bayerischen Innenministers Günther Beckstein, Gesinnungstests für Zuwanderer einzuführen. Die hätten das Blutbad in London nicht verhindern können, denn die mutmaßlichen Täter waren keine Einwanderer, sondern Briten. Doch Beckstein will im kom-menden Bundestagswahlkampf Kante zeigen, da ist der Kampf gegen den Terror hochwillkommen. Anders ist auch nicht die sattsam bekannte Forderung zu verstehen, die Bundeswehr zur Terrorabwehr im Inland einzusetzen. Das klingt nach mehr Sicherheit, der Stammtisch wird jubeln, denn wer will nicht mehr Schutz vor Irren, die skrupellos Menschen gleich welchen Geschlechts und Alters in die Luft jagen? Doch es gibt ein paar Schönheitsfehler. Die Bundeswehr ist nicht für den Polizeidienst ausgebildet. Im Ausland muss die deutsche Armee bereits von Polizeieinheiten unterstützt werden und selbst im Inland werden zunehmend Kasernen und andere militärische Einrichtungen von privaten Wachdiensten geschützt. Bei der Bundeswehr herrscht Geldmangel und sie wird wegen der veränderten internationalen Gefahrenlage umstrukturiert. Doch das Hauptproblem für die CDU-Anhänger des Bundeswehreinsatzes im Inneren ist die Verfassung. Das Grundgesetz lässt ihn nicht zu. SPD, Grüne und vor allem der mögliche Koalitionspartner FDP lehnen eine Verfassungsänderung strikt ab, für die eine Zweidrittelmehrheit nötig ist. Die neuen Gesetze werden also nicht kommen und so entlarvt sich dieser politische Vorstoß als simpler Wahlkampfgag.
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