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WAZ: Ein Bündnis Union/SPD ist nicht der letzte Schrei: Großes Kuddelmuddel - Leitartikel von Ulrich Reitz
Essen (ots)
Viele Menschen verstehen die Politik nicht mehr, und sie haben auch Recht. Seitdem es die Linkspartei gibt, wollen alle, jeder auf seine Weise, irgendwie links oder doch mindestens besonders sozial sein (bis auf die FDP); und je wahrscheinlicher es zu werden scheint, dass das Duo Lafontaine/Gysi sogar ein ansehnliches Wahlergebnis einfährt, desto mehr bestimmt ein Thema die Debatten: die große Koalition. So intensiv die Diskussion verläuft, so verbreitet sind auch die Irrtümer über eine solche Formation. Erstens: Große Koalitionen schaffen nicht per se große Lösungen. Dieser permanente Vermittlungsausschuss könnte auch ohne Unterlass Kladderadatsch erzeugen, jedenfalls wenig, was der größten Volkswirtschaft in Europa wieder auf die Füße hilft. Zweitens: Große Koalitionen verwischen nicht nur Verantwortlichkeiten, sondern auch Linien. Darunter leidet die Orientierung. Die aber vermissen die Menschen; durchaus möglich, dass eine große Koalition den Ärger über eine orientierungslos hantierende Politik nicht verkleinert, sondern vergrößert. Drittens: Große Koalitionen integrieren nicht nur, sondern spalten auch; sie stärken die Ränder. Bei diesem Gedanken kann einem schon mulmig werden, selbst wenn man noch nicht einmal an Extremisten denkt. Ein sozialdemokratischer Vize-Kanzler etwa hätte mit diesen Opponenten zu tun: Joschka Fischer, Lafontaine/Gysi, Guido Westerwelle. Außerdem hätte dieser Spitzen-Sozi die eigene Truppe permanent am Hals, weil die zu mindestens einem Drittel geistig bei Lafontaine geblieben ist. Wie sollte die SPD das überstehen? Ausgelöst hat die Verunsicherung die Linkspartei. Wie wäre es, die anderen würden endlich mit mehr Selbstbewusstsein, also mit eigenen Konzepten, und mehr Leidenschaft an Deutschlands Zukunft arbeiten, anstatt dieser seltsamen Formation im Retro-Look zwischen 50er und 70er Jahren miesepetrig hinterherzulaufen.
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