Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Jürgen Flimms erste Ruhr Triennale: Kultur ist noch schöner als Shopping - Leitartikel von Gudrun Norbisrath
Essen (ots)
Wem nützt die Ruhr Triennale? Allen, würde Intendant Jürgen Flimm voller Überzeugung sagen, und sein Vorgänger Gerard Mortier würde ihm unbedingt zustimmen. Und? Stimmt das denn?
Die Ruhr Triennale hat sich in den ersten vier Jahren glänzend bewährt. Sie ist zu einem etablierten Festival geworden, das nicht nur in der Region Aufsehen erregt und Freunde findet; sie hat die Industriedenkmäler mit Leben und neuem Geist erfüllt; sie weckt Neugier und befriedigt sie wunderbar. Gut, großartig, herrlich!
Und, nützt sie allen? Man möchte Ja sagen und kann es doch nicht von Herzen tun. Fragt man Fremde, fragt man Menschen, die hier wohnen, was die Hauptattraktion der Region sei, dann ist die Antwort mit ziemlicher Sicherheit: das Centro. Keine Gebläsehalle, kein Gasometer, keine Ruhr Triennale; sondern: Centro. Was nun?
Ändern lässt sich das kaum. Und das Centro ist ja auch ganz schön. Dass Kunst aber noch viel schöner sein kann als Shopping, wissen viele einfach nicht. Deshalb muss nach Wegen gesucht werden, diese aufregende Wahrheit zu vermitteln.
Die Triennale hat ihn beschritten, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht. Das Programm liest sich schon sehr merkwürdig; es gibt schräge Blechbläser und irritierend verschränkte Veranstaltungen aus Musik, Tanz und Schauspiel. Da zuckt mancher skeptisch: Ob das was ist?
Jürgen Flimm hat bekräftigt, was sein Vorgänger angestoßen hatte: Das ist was. Gerade die ungewöhnlichen Inszenierungen können Kunstfreunde wie Kunstungeübte erreichen; hier sind alle gleich oder jedenfalls gleicher als sonst, der Vorsprung der Bildungsbürger schrumpft vor dem außerordentlichen Angebot. Da sind neue Seh- und Hörgewohnheiten gefragt, da ist am Anfang der eine so schlau wie der andere, und wer ganz schlau ist, hört sich vor der Kunst eine Einführung an. So wird das Fremde schneller zum Freund.
Die Ruhr Triennale ist ein Glücksfall für die Region, das wissen nur noch nicht alle. Man muss es verbreiten, damit dieses ureigene Ruhrgebiets-Festival allen nützen kann, mit ungeahnten Erfahrungen und begeisternden Erlebnissen. Es ist nicht zuletzt ein Schritt auf dem Weg zur Kulturhauptstadt: Auch die soll schließlich allen nützen.
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