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WAZ: Kommentar zu: Der Ex-Kanzler bei Gasprom – ist das ok.? Schröders neue Karriere - Von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Schröder wechselt zu Putin. Es sieht jedenfalls
irgendwie so aus. Jener Putin, den Schröder in seiner Eigenschaft als
Kanzler einen „lupenreinen Demokraten” nannte. Aber nicht nur das.
Konkret übernimmt Schröder den Aufsichtsratsposten über jene
Pipeline, die er selber, auch im Interesse deutscher wie russischer
Energiefirmen durchsetzte. Ein umstrittenes Projekt, weil sogar der
Bundespräsident deutlich machte, dass es vielleicht doch nicht so
klug war, so eine deutsch-russische Delikat-Angelegenheit an Polen
vorbei zu vereinbaren.
Der erste Reflex lautet: Das stinkt doch zum Himmel. Das hat etwas
typisch Südamerikanisches, riecht nach Korruption, Vetternwirtschaft,
Selbstbegünstigung. Oder noch ganz anders: Schröder hat über Hartz IV
die Ärmeren noch ärmer gemacht und macht sich jetzt mit Hilfe seiner
Industrie-Kumpel die Taschen voll.
Nur: So ist es ja nicht. Den Verdacht von Korruption müsste man
haben, wenn Schröder diese Pipeline als Kanzler geplant hätte, um
hinterher als Privatmann von ihr zu profitieren. Objektiv betrachtet
gibt es dafür nicht den geringsten Hinweis. Nach menschlichem
Ermessen hat eine solche Annahme etwas Aberwitziges.
Und Schröder als Raffke? Gemach – der Mann wird nicht hoch
dotierter Vorstandschef, verantwortlich fürs Operative, sondern steht
dem Aufsichtsrat vor, der den Vorstand kontrollieren soll. Der
bekommt gemeinhin nur einen Bruchteil eines Vorstands. Und geplant
ist wohl auch keine Aufsicht im klassischen Sinne. Vielmehr sieht es
so aus, als wolle sich Gasprom, also auch Putin, Schröders Erfahrung
als Außenpolitiker zu Nutze machen, als Emissär etwa, um beunruhigte
Polen zu beruhigen, oder als Anbahner weiterer Geschäfte (ob das
funktioniert, steht auf anderem Blatt).
Als Kanzler war Schröder per Amtseid auf das Gemeinwohl
verpflichtet. Als Privatmann ist er das nicht mehr. Wäre das anders,
bekäme der Alt-Kanzler dasselbe wie ein Alt-Präsident: Lebenslang 100
Prozent seines Gehaltes vom Staat. Und dann: Ist es denn eine gute
oder eine schlechte Nachricht, wenn ein Kanzler nach Ende der
politischen eine wirtschaftliche Karriere beginnt, wie in anderen
demokratischen Ländern üblich? Weshalb Sozialneid? Für Ex-Kanzler
sollte es auch weiterhin keine Berufsverbote geben.

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