Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Das Ruhrgebiet, die verspätete Region - Kommentar von Christopher Onkelbach
Essen (ots)
Als buntes Hochschulland wollte sich das Ruhrgebiet präsentieren und den Titel Stadt der Wissenschaft 2007 erobern. Die vier Universitätsstädte Duisburg, Essen, Bochum und Dortmund überwanden ihr Konkurrenzdenken und stellten sich gemeinsam auf. Damit schien man fast unschlagbar zu sein: die dichteste Hochschullandschaft Europas, knapp 150 000 Studierende, tausende Wissenschaftler, überdies vier Fraunhofer-Institute, drei Max-Planck-Institute, mehr als 30 Technologie- und Gründerzentren, dazu die Fernuniversität Hagen und die private Universität Witten/Herdecke.
War das zu viel? Zehn Städte waren angetreten, die dickste Bewerbungsschrift kam aus der Metropole Ruhr. Die Jury war beeindruckt von der imponierenden Zahl der geplanten Aktivitäten mit starker Breitenwirkung. Allerdings sei die Bewerbung zu gigantisch geraten. Was offenbar fehlte, war der Pfiff, die Idee, der zündende Funke. Die Summe aller Fähigkeiten allein ist noch nicht originell. Viermal das Gleiche, so sagte es ein Jury-Mitglied, ergebe noch keinen Mehrwert.
Eine Enttäuschung? Ja, sicher. Der Titel Stadt der Wissenschaft hätte das Ruhrgebiet als Region der Wissenschaft sichtbarer gemacht, hätte dazu beigetragen, auch nach innen, das moderne, zukunftsweisende Gesicht des ehemaligen Reviers deutlicher zu machen. Die Auszeichnung hätte dem Ruhrgebiet überregionale Aufmerksamkeit beschert und dem Image wie dem Selbstbewusstsein gut getan.
Drei Städte ziehen ins Finale ein. Das Ruhrgebiet kam auf Platz vier. Das ist kein Trost, regt aber zu der Frage an, was etwa Braunschweig besser gemacht hat. Zwei Dinge. Erstens: Braunschweig hatte eine gute Idee. Die Stadt hat nicht mit Technik und Naturwissenschaften geprotzt, sondern, ganz neu, die Geisteswissenschaften in ihr Konzept einbezogen. Zweitens: Braunschweig konnte die Wirtschaft begeistern und 800 000 Euro an Sponsorengeldern einwerben. Das Ruhrgebiet sammelte nur, wie man hört, rund 200 000 Euro.
Das zeigt, dass die Hochschulen und die Wissenschaft in der Region immer noch nicht richtig angekommen und fest verankert sind, wie etwa in Aachen oder Freiburg, den zwei anderen Finalstädten. Das Ruhrgebiet ist als Wissenschaftsstandort eine verspätete Region. Das verlangt umso mehr Phantasie und Kreativität.
Eine weitere schlechte Nachricht traf das Ruhrgebiet gestern: Der ehrgeizige Oberhausener Gesundheitspark O.Vision steht offenbar auf der Kippe. Die Landesregierung scheint sich von dem Millionen- Projekt verabschieden zu wollen. Gerade im Ruhrgebiet mit seinem wachsenden Gesundheitsmarkt und seiner medizinischen Kompetenz aber machte das Vorhaben Sinn. Der Titel Stadt der Wissenschaft ist vorerst dahin, die Chancen von O.Vision sollte das Land nicht vergeben.
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