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WAZ: Fairer Handel wäre das Thema: Wenn der Chinese kommt - Kommentar von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Morgen kommt Chinas Premier Wen Jiabao nach
Deutschland, und es ist klar, was er von der deutschen Kanzlerin 
will. Merkel soll dafür sorgen, dass die Europäer das Waffen-Embargo 
beenden, mit dem sie China seit dem Tiananmen-Massaker belegen. Über 
Menschenrechtsfragen will Wen nicht reden, er spricht von "so 
genannten" Menschenrechten, als ob die nicht universell gültig wären 
und Peking ein eigenes Recht darauf hätte, was einem Individuum an 
Freiheit zugebilligt und Unfreiheit zugemutet werden soll. Und auf 
keinen Fall will Wen über Handelsfragen und Menschenrechte 
gleichzeitig reden.
Genau das aber wäre vonnöten. Denn China verdankt seinen 
beispiellosen wirtschaftlichen Aufschwung eben auch der Verletzung 
der Menschenrechte. Dies offensiv anzusprechen, ist im ureigenen 
deutschen Interesse. So ist zwar offenkundig, dass deutsche Firmen 
von Chinas Wachstum profitieren, aber eben nicht zwingend deutsche 
Arbeitnehmer. Wenn nämlich deutsche Firmen sich in China ansiedeln, 
dann sichert das nicht nur Jobs in Deutschland, es kostet auch welche
hier. Autozulieferer-Arbeitsplätze, die nach China verlagert werden, 
dienen nicht nur der Erschließung des chinesischen Marktes, sondern 
auch der Senkung der Kosten hier. Hinter diesem Prozess stecken nicht
in jedem Fall böse Kapitalisten, die ihre Rendite rücksichtslos 
steigern wollen, sondern der Markt, was eben auch heißt: der Kunde.
Kühl bringt es der "Spiegel" auf den Punkt: "Mit jedem Kauf eines
fernöstlichen Produkts erteilen die Käufer dem heimischen Sozialstaat
und seinen Lieferbedingungen eine Absage." Deutsche Radios und Handys
verschwinden auch darum vom Markt, weil der Käufer ein 
globalisierungsoffener Materialist ist, dem sein Portmonee näher 
liegt als der Telefon-Arbeitsplatz seines Nachbarn bei Siemens.
China erschleicht sich Kostenvorteile durch mangelhaften 
Umweltschutz, Kinderarbeit, überhaupt: oft unwürdige 
Arbeitsbedingungen, durch eine rigorose Privatisierungspolitik, die 
den früheren Staatsangestellten ihre sozialen Sicherheiten nimmt 
(etwa die Rente), und: durch Produktpiraterie. Auch die brutale 
Einschränkung der Meinungsfreiheit dient nicht zuletzt einem 
wirtschaftlichen Ziel. Hier sollte Merkel ansetzen. Dem 
Manchester-kapitalistischen China-Chef Wen nicht mit Protektionismus 
drohen, sondern faire Freihandelsbedingungen einklagen, eben: 
Waffengleichheit.

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Telefon: (0201) 804-8972
zentralredaktion@waz.de

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