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WAZ: Willkommen im Raumschiff Berlin - Kommentar von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Sollte sie es wirklich noch nicht gewusst haben,
dann dürfte es ihr jetzt klar sein: Angela Merkel hat nun erfahren, 
wie einsam Macht macht. Edmund Stoiber von der CSU, der von einem 
solchen Kaliber ist, dass er sich nicht einmal von München nach 
Berlin traute, bestätigt nun die alte Steigerung: Freund, Feind, 
Parteifreund. Westerwelle lässt die Kanzlerin über den fröhlichen 
Herrn Brüderle wissen, dass es womöglich mit SPD-Beck besser 
funktioniere als mit ihr, selbst wenn Grün-Trittin mit am 
Kabinettstisch sitzen würde. Es ist nun einmal das Naturgesetz des 
Neides: Je höher man steigt, desto größer wird die Zahl der 
Beckmesser-Werfer.
Legendär ist indes die Nervenstärke der Kanzlerin. Manche haben 
schon vergessen, dass diese Eigenschaft ursächlich war für den 
unvergleichlichen Aufstieg der No-Name-Politikerin aus dem Osten an 
die Spitze der großen bürgerlichen Westpartei. Und so wird Merkel 
kühl die Relevanz der derzeitigen Koalitionsspielchen analysieren. 
Das sieht dann so aus: Klar, Beck, Westerwelle und Trittin könnten 
sich zusammentun und den neuen Kanzler wählen. Dass Beck nicht im 
Bundestag sitzt, ist dafür kein Hindernis. Kiesinger, der Kanzler der
ersten Großen Koalition, war auch kein Bonner Parlamentarier. Nur: 
Was böte diese sogenannte Senegal-Koalition, was die derzeitige 
Formation nicht bietet?
Auf alle Fälle wäre sie noch instabiler, Programmatisch verbindet
SPD und FDP rein gar nichts. Die SPD entwickelt sich zurück vor ihre 
Schröder-Clement-Zeit, entdeckt ihre alte Liebe zum Staat als 
Reparaturbetrieb wieder. Die FDP vor allem in Sozialdingen 
prinzipiell anti-staatlich. Eine liberale Gesundheitsreform hätte mit
dem, was die SPD will, nichts gemein. Über die Arbeitsmarktpolitik 
brauchte man nicht zu reden, gleichfalls Steuer-Fragen. Und selbst in
der Außenpolitik, siehe Libanon-Einsatz, würde es schwer. Auch müsste
die FDP fürchten, wegen der Beimischung der Grünen, die den 
Sozialdemokraten näher stehen, schlicht unterzugehen. Und der 
unionslastige Bundesrat würde alles blockieren.
Das Geplänkel über neue Bündnisse decouvriert eigene 
Unsicherheiten auf allen Seiten. SPD und Union justieren gerade, 
Ausgang offen, ihre Programme neu. FDP und Grüne sorgen sich um ihre 
Bedeutung. Und alle gemeinsam fürchten ein Erstarken von Linkspartei 
und NPD.
Sofern könnte man die Sache gelassen sehen. Wenn, ja wenn nicht 
der Bürger als Zuschauer über so viel staatspolitischer 
Pflichtvergessenheit allmählich kirre würde.

Rückfragen bitte an:

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Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-0
zentralredaktion@waz.de

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