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WAZ: Deutsche EU-Ratspräsidentschaft: Unerfreuliche Gemengelage - Kommentar von Hendrik Groth

Essen (ots)

Vermuten wir doch einfach, dass eine ganze Reihe von
Politik-Mechanismen ihre Gültigkeit ins Jahr 2007 herübergerettet 
haben. Allen Weihnachts- und Neujahrsansprachen zum Trotz vermuten 
wir weiter, dass manches mit dem Brustton der Überzeugung 
vorgetragenes Ziel aus dem Handbuch der nimmermüden Floskeln 
abgeschrieben wurde.
So will sich etwa die Bundesregierung während ihrer 
EU-Ratspräsidentschaft um den Bürokratieabbau kümmern. Klingt gut, 
erinnert aber fatal an diverse Regierungen, die sich diese Losung auf
die Fahne geschrieben hatten und anschließend ist nichts passiert. 
Zwei weitere Vermutungen: Zum einen wird es auch bei der europäischen
Politik mehr um die mediale Verpackung gehen als um Inhalte, und zum 
anderen wird die Bundeskanzlerin als amtierende EU-Ratspräsidentin 
außenpolitische Erfolge suchen, um halbwegs elegant konfliktträchtige
Reformen im Inneren vermeiden zu können.
Doch dieses Unterfangen dürfte schwierig werden. Die EU befindet 
sich kurz vor ihrem 50. Geburtstag in ihrer wahrscheinlich schwersten
Krise. Vor knapp anderthalb Jahren haben Franzosen und Holländer 
gegen die EU-Verfassung gestimmt. Seitdem herrscht politisch 
Stillstand, obwohl eine gemeinsame Sicherheits-, Energie- und 
Sozialpolitik unverzichtbar ist. Die Europäische Union hat sich 
vergrößert und die Kompromisse werden immer schwieriger. Der kleinste
gemeinsame Nenner ersetzt eben keine kraftvolle Politik.
Die Themenliste für Angela Merkel ist lang, die Erwartungshaltung
hoch. Partnerschaftsabkommen mit Russland, Kosovo, Zypern-Streit, 
Nahost-Krise, iranische Atompläne. Nicht zu schweigen vom fehlenden 
Vertrauen der Bürger in die europäischen Institutionen, dem 
schwierigsten Feld für Europapolitiker. Problemverschärfend kommt 
hinzu, dass Merkel in den kommenden sechs Monaten wenig 
Ansprechpartner hat, mit denen das große europäische Rad gedreht 
werden kann. Tony Blair ist auf dem Rückzug, Frankreich im Wahlkampf,
die Niederlande, Österreich und Tschechien lavieren sich ohne 
Regierungen durch. Die EU-Kommission zeigt keine Stärke. Das ist die 
Gemengelage für Merkel. Vielleicht sehnt sie sich nach kurzer Zeit 
wieder zurück zu den Sticheleien aus Bayern, an die Manöver von 
Unions-Ministerpräsidenten oder den Koalitionspartner, der jüngst 
ankündigte, einen Gang aus dem innenpolitisch nötigen Reformprozess 
herausnehmen zu wollen.

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Thomas Kloß
Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de

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