Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Dreikönigstreffen der Liberalen: Hoffähig für alle Koalitionen - Kommentar von Wilhelm Klümper
Essen (ots)
Geschickt. Guido Westerwelle hat auf dem Dreikönigstreffen die verhangene politische Großwetterlage genutzt. Dem Herumeiern von Union und SPD in der kleinmütigen Großen Koalition, der Funkstille bei den Grünen und dem Genöle der Linkspartei begegnete der FDP-Chef beherzt mit einem bunten Strauß politischer Attacken.
Da war für jeden etwas dabei. Die Seele der Wirtschaftsliberalen wurde gestreichelt, als Westerwelle sich für die Lockerung des Kündigungsschutzes und gegen staatliche Umverteilungsprogramme aussprach. Der angesichts guter wirtschaftlicher Prognosen ausgebrochenen Partystimmung in Deutschland setzte er die Forderung nach weiteren Reformen entgegen.
Damit hat er Recht. Oder haben wir etwa bislang befriedigende und für die Menschen beruhigende Antworten auf die demografische Katastrophe, die unsichere Alterssicherung, das malade Gesundheitswesen, das unübersichtliche Steuersystem, die weiterhin anhaltende Massenarbeitslosigkeit und die wirtschaftliche Herausforderung durch die Wirtschaftsgiganten von morgen, beispielsweise China und Indien, gefunden?
Westerwelle spricht bestimmt vielen aus der Seele, wenn er den Langzeitarbeitslosen Henrico Frank als Sozial-Schnorrer hinstellt. Und sicher weiß er große Teile der Republik hinter sich, wenn er die Raffkes in einigen Chefetagen anprangert und mehr gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen einfordert.
Das macht sich als populistischer Appell ja ganz gut. Spannend wird es aber, wie die wirtschaftsliberale FDP dem auch politisch Nachdruck verleihen will. Überhaupt bleibt abzuwarten, wie zielstrebig sich die FDP als "Anwalt der vergessenen Mitte" und damit als Volkspartei positionieren wird. Die Mitte, das sind weder gierige Heuschrecken noch faule Unterschicht, sondern die ganz normalen Menschen, die täglich rechtschaffen ihr Leben meistern. Da tritt die FDP in Konkurrenz zu den etablierten Volksparteien Union und SPD, die derzeit beide beim Ringen um ihr Selbstverständnis vor allem um den "kleinen Mann" werben.
Mit dem klaren Profil einer neoliberalen FDP hatte sich Westerwelle bei der Bundestagswahl fest an die Union gekettet. Heute steht die FDP mit ihrem wirtschaftsliberalen Kurs in den Wählerumfragen so glänzend wie lange nicht da. Die FDP wäre töricht, diesen Kurs zu verlassen. Daher ist das Gerede von Volkspartei wohl nichts anderes als der Versuch, sich für jede Form von Koalition hoffähig zu machen.
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