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WAZ: Manager-Karussell: Neue alte Deutschland AG - Leitartikel von Thomas Wels

Essen (ots)

Die Deutschland AG ist tot, es lebe die Deutschland
AG. Das Wechselspiel der Industriekapitäne - Heinrich von Pierer 
geht, Gerhard Cromme kommt, Werner Müller in die Kohle-Stiftung - 
sagt mehr über die Verfassung der Wirtschaft aus, als die Personalien
auf dem Papier vermuten lassen.
Mit von Pierer verlässt eine herausragende Manager-Persönlichkeit
die Brücke. Mit dem Franken geht einer, der groß geworden ist in 
einer Zeit, als die gegenseitige Verflechtung der Konzerne eine Art 
Kuschel-Kapitalismus schuf. Das soll die Leistung des Managers nicht 
schmälern, gleichwohl ist der Nimbus von Siemens auf einem Fundament 
gewachsen, das die heutige Telekom gegossen hat: Siemens als 
Telefon-Hersteller der Nation. Und als von Pierer Aufsichtsratschef 
wurde, hat kaum einer eine kritische Frage darüber verloren, ob es 
denn richtig sein kann, dass einer als oberster Kontrolleur auch 
seine eigenen Altlasten kontrolliert. Tragisch, dass der Mann sich 
auch noch am Sessel festklammerte, als die Altlasten zu riechen 
begannen. Heute ist die Debatte weiter. Auch dank Gerhard Cromme, ein
untadeliger Manager, der sich für Regeln in ordentlicher 
Unternehmensführung und anständigem Verhalten gegenüber Aktionären 
stark gemacht hat.
Allerdings scheint diese Anständigkeit nicht mehr allzu beliebt 
zu sein. Die deutsche Wirtschaft ist eine andere geworden, seitdem 
die rot-grüne Regierung den Konzernen erlaubte, ihr zig Milliarden 
schweres Beteiligungsgeflecht steuerfrei aufzulösen. Damit riss 
Berlin den Schutzwall ein, der um die Deutschland AG gezogen war. 
Weiland konnten die Bosse ruhiger schlafen, als ihre größten Kunden 
oder Kreditgeber zugleich Anteilseigner waren. Heute sind die Aktien 
auf dem Markt und ein gern gesehenes Fressen für so manchen privat 
gespeisten Fonds, zuweilen auch solche, die auf münteferingisch 
Heuschrecke heißen. Die Chefetagen sind globalisiert, Manager müssen 
schneller rennen, ihre Vertragslaufzeiten sinken, die 
Renditeansprüche steigen. Im Mittelstand hat es schlimme Auswüchse 
gegeben. Den großen Aktiengesellschaften hat die Zugluft bisher nicht
geschadet. So mancher Manager wünscht sich nun gleichwohl die alte 
Deutschland AG zurück.
Bei Thyssen-Krupp wehrt die Stiftung Angriffe ab, bei der neuen 
RAG wird die Konstruktion ähnlich sein. Wobei hier der Staat ein 
Wörtchen mitredet. Das birgt Gefahren. Wer im großen Spiel um 
angelsächsische Milliarden mitspielen will, der muss die Regeln 
akzeptieren. Tut er das nicht, ist er auf Dauer als Partner 
unattraktiv.

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Telefon: (0201) 804-0
zentralredaktion@waz.de

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