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WAZ: Sprachtests im Kindergarten: Keine Katastrophe - Leitartikel von Christopher Onkelbach

Essen (ots)

Durchgefallen, gescheitert, versagt. Wenn Eltern
dies über ihre Vierjährigen denken, die in die zweite Runde des 
Sprachtests müssen, liegen sie falsch. Sicher, auf den ersten Blick 
kann man über die Zahlen erschrecken: Bei 62 000 von 145 000 
getesteten Kindern gab es Zweifel, ob ihre Deutschkenntnisse ihrem 
Alter entsprechen. Dennoch ist dieses Ergebnis keine Katastrophe. Es 
zeigt vielmehr, wie wichtig es ist, jedes Kind einzeln anzuschauen.
Viel Kritik gab es an dem Verfahren selbst: Der Test kam zu spät 
in die Kindergärten, die Erzieherinnen wurden ungenügend vorbereitet,
das "Zoospiel" entspricht nicht der Erfahrungswelt vieler Kinder, 
wurde moniert. Manches Kind, das seinen Eltern zuhause ein Ohr 
abquasselt, bekam in der Testsituation vor fremden Menschen kein Wort
heraus. Andere sahen es schlicht nicht ein, solche Unsinnssätze 
nachzusprechen wie "Wenn der Löffel lacht, hüpft er in den Mittag". 
Damit sollte getestet werden, wie viele Wörter ein Kind speichern und
wiederholen kann. "Mein Kind hat sich einfach den doofen Aufgaben 
verweigert", sagte eine Mutter, und das kann man sogar verstehen.
Vergessen wird bei aller berechtigten Kritik aber, dass dieser 
Sprachtest nicht benotet wird und nichts über die Intelligenz eines 
Kindes aussagen will. Wer aufgefallen ist, hat nicht "versagt". Es 
geht darum, systematisch hinzusehen und hinzuhören, um Kindern, die 
offensichtlich in ihrer Sprachentwicklung hinterherhinken, zu helfen.
In NRW haben mittlerweile rund 30 Prozent aller Grundschulkinder 
einen Zuwanderungshintergrund. In diesen Familien wird zuhause oft 
nicht Deutsch gesprochen. Aber auch immer mehr Kinder aus deutschen 
Familien zeigen sprachliche Defizite. Denn viele Eltern sind 
buchstäblich "sprachlos". Sie reden kaum mit ihren Kindern, parken 
sie vor dem Fernseher mit seinem reduzierten Kinder-Blabla. Deshalb 
ist diese frühe Sprachstandsfeststellung - wie der Test in unschönem 
Amtsdeutsch heißt - sinnvoll.
Denn eines ist klar: Die Beherrschung der Sprache ist die 
grundlegende Kulturtechnik, Voraussetzung nicht nur für die 
allgemeine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, sondern auch für den
Bildungserfolg. Wer die Sprache nur mangelhaft beherrscht, wird 
bereits in der Grundschule scheitern, nicht nur im Fach Deutsch - und
auch das muss nichts mit dem Intelligenzquotienten zu tun haben. Dies
zu vermeiden und allen Kindern eine faire Chance auf Bildungsteilhabe
zu bieten, ist eine der vornehmsten Aufgaben von Erziehung und 
Bildungspolitik.

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Rückfragen bitte an:
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Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de

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