Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Helmut Schmidt und die G-8-Gegner: Gipfel scheitern. Macht nichts - Leitartikel von Ulrich Reitz
Essen (ots)
Gipfel gehen schlecht aus. Immer. Sie scheitern an Erwartungen, die sie selbst oder ihre Gegner erzeugt haben. Wer nur im TV die Gipfel-Bilder sieht, macht eine einfache Rechnung auf: Wenn die da schon so ein Brimborium anstellen, Tausende von Polizisten, Hunderte von Kilometern Stacheldraht, Razzien vorher und Gruppenbild am Schluss, dann sollen die auch liefern. So argumentiert auch Helmut Schmidt, allein, um seinem selbstgebastelten Ruf gerecht zu werden, es besser zu wissen und gemacht zu haben als der Rest der Welt.
Ähnlich einfach machen es sich die sog. Globalisierungsgegner. Hinter diesem seltsamen Begriff (es gibt ja auch keine Wettergegner, obwohl auch das Wetter so unangenehm wie unaufhaltsam sein kann wie die Globalisierung) verbergen sich unterschiedlichste Gruppen mit sogar gegenläufigen Motiven. Manchmal stecken selbst hinter derselben Forderung völlig unterschiedliche Absichten. Die, sagen wir mal: Verdi-Linke will die Macht von Konzernen und Hedgefonds beschneiden, allerdings, um selbst mehr Macht zu haben. Für sie ist Globalisierungskritik die Fortsetzung von Klassenkampf. Andere, die sich gleichfalls bei Attac engagieren wie der Enkel des Marktwirtschafts-Miterfinders Eucken, haben dabei liberale Motive: Großkonzerne gefährden schließlich den freien Handel, so wie er im Lehrbuch der Marktwirtschaft steht. Und dass man durchsichtig machen soll, wer sich hinter Hedgefonds verbirgt, fordert auch Finanzminister Steinbrück.
Merkwürdig auch diese Form politisch korrekter Tonnen-Ideologie bei der Entwicklungshilfe. Immer mehr Geld für die Dritte Welt, fordern G-8-Gegner. Dagegen nüchtern die Afrika-Expertin der Grünen, Uschi Eid: "Mit viel Geld kann man auch viel falsch machen." Viel wichtiger als mehr Geld auszugeben für die überdies vielfach korrupten Regime in Afrika wäre: Freihandel. Weshalb, fragt Eid, müssen Griechenland und Spanien Baumwolle produzieren, wenn das in Westafrika viel billiger möglich ist und vor allem: subventionsfrei? Der westliche Handels-Protektionismus ist sozial ungerecht und das eigentliche Problem. Wieviel Entwicklungshilfe ist Placebo, harten Lobby-Interessen geschuldet? Und dann ist da noch der Vorwurf, die Reichen würden immer reicher zu Lasten der Armen. Dabei: Länder, die sich, wie China und Indien, der Globalisierung öffnen, ermöglichen breiteren Schichten eine Teilhabe am Fortschritt. Nicht Gleichheit ist der treffende Maßstab, sondern Wohlstand. Fazit: Wenn Gipfel an Erwartungen scheitern, dann mehr Realismus bei den Erwartungen. Der Fortschritt war immer eine Schnecke.
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