Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Straßenschlachten vor G-8-Gipfel: Krawalle, der Krawalle willen - Leitartikel von Hendrik Groth
Essen (ots)
Attac will den schwarzen Block nicht mehr bei Demonstrationen sehen. "Willkommen im realen Leben", möchte man den Globalisierungsgegnern zurufen, die für sich in Anspruch nehmen, das Weltgeschehen mit aller konsequenten Schärfe erklären zu können. Ganz direkt vor der eigenen Haustür glaubten sie jedoch, mit den gewaltbereiten Autonomen Verhaltensregeln ausbaldowern zu dürfen. Diese politische Naivität von Attac und weiteren G-8-Gegnern schuf den vermummten Chaoten die Möglichkeit, ihren Gewalttrieb an der Ostsee austoben zu können.
Es ist doch keine Überraschung, dass die Sektierer aus aller Herren Länder nichts politisches im Sinn hatten und haben. Sie brauchen Randale, sie wollen die Straßenschlacht. Für was, gegen wen, mit wem, total egal. Steine werfen, Knochen brechen, so lautet die Maxime dieser Kriminellen. Die Organisatoren der politisch legitimen Demonstration in Rostock hätten das alles wissen können, nein sie hätten es wissen müssen. Wahrscheinlich war es ihnen sogar bewusst, konsequentes Handeln hätte jedoch die aufgesetzte Harmonie einer nicht wirklich existierenden Massenbewegung gestört.
Nicht zu Unrecht beklagen die Gegner des Gipfels in Heiligendamm die fehlende demokratische Legitimation der G8, deren Regierungschefs gerade einmal 13 Prozent der Weltbevölkerung repräsentieren, aber so tun, als seien sie die Herrscher aller Reußen, sprich der ganzen Welt. Doch der Gewaltexzess hat für das erste eine Diskussion zunichte gemacht, die sowohl von den G8, wie von ihren Gegnern geführt werden sollte. Wie organisiert man auf diesem Planeten internationale Politik?
Die Vereinten Nationen spiegeln die Welt nach 1945 wider. An Weltbank, Währungsfonds und auch Welthandelsorganisation sind die vergangenen Jahre fast spurlos vorbeigegangen. Italien oder Kanada spielen Weltenlenker, obwohl China, Indien, Mexiko oder Brasilien in weltpolitischen und weltwirtschaftlichen Belangen mehr darstellen. Über Afrika wird natürlich auf der PR-Veranstaltung von Heiligendamm wie bei den Gipfeln zuvor auch gesprochen, anschließend leider weniger mit den afrikanischen Staaten. Die anstehende Diskussion, wie die Welt ihre Probleme mit welchen Organisationen oder Gremien lösen kann, ist ein Prozess, der automatisch mit Protest einhergeht. Sie ist eine globale Debatte, die alle Beteiligten zum Dialog zwingt. In Rostock ist es jedoch einer kleinen gewalttätigen Minderheit gelungen, von diesen existenziellen Inhalten abzulenken.
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