Neue OZ: Kommentar zu Festspiele
Bayreuth
Osnabrück (ots)
Geste der Großmut
Es ist ein Zeichen für eine gewisse Entspannung, was jetzt in Bayreuth möglich wurde. Vielleicht erlaubt der historische Abstand zum Holocaust größere Gelassenheit. Doch solange Betroffene der unvorstellbar gigantischen Juden-Ermordung leben, und das gilt auch für ihre Nachkommen, bleibt eine Aversion gegen Richard Wagner nachvollziehbar. Wer als Holocaust-Opfer die antisemitischen Hetz-Tiraden kennt, die von Wagner und seinem familiären Umfeld überliefert sind, darf Scheuklappen aufsetzen, um nicht alle Gefühle von Zorn, Trauer und Entsetzen wieder erleben zu müssen.
Alle anderen sind freier zu entscheiden: zwischen der Person Wagner und seiner Musik. Töne können nicht antisemitisch sein, höchstens Worte. Wagners Opern sind schon einigen seiner nicht-jüdischen Zeitgenossen als zu bombastisch oder weihevoll-schwülstig vorgekommen. Aber das ist eine Frage des musikalischen Geschmacks, die nichts mit Rassismus zu tun hat. Insofern war der Auftritt des israelischen Kammerorchesters in Bayreuth eine versöhnliche Geste. Großzügig bewegten sich die Israelis an jenen Ort, der Adolf Hitler stets höchst willkommen hieß. Sie spielten neben Wagner auch Liszt. Und gaben zu verstehen, dass Franz Liszt erstens Schwiegervater Wagners war und, viel wichtiger, ein großer deutscher Komponist, wie unbestritten Wagner auch. Großmut reicht die Hand über den Abgrund, leugnet ihn jedoch nicht.
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