Westfalenpost: Womit wir uns schwer tun Von Winfried Dolderer
Hagen (ots)
Zunächst das Positive: Zwischen 60 und knapp 80 Prozent der Deutschen sind nicht der Meinung, dass wir wieder einen Führer oder einen Einparteienstaat brauchen oder das Naziregime auch sein Gutes gehabt habe. Nach wie vor hat die Demokratie hierzulande eine stabile Mehrheit. Nistet also der Rechtsextremismus "in der Mitte der Gesellschaft"? Das ist ja die Befürchtung, die die Friedrich-Ebert-Stiftung antreibt, diese Gesellschaft alle zwei Jahre daraufhin durchleuchten zu lassen. Der Befund ist jedenfalls nicht eindeutig. Wahr ist: Mit der Realität eines Einwanderungslandes tun sich die Deutschen schwerer als mit der Frage, ob sie eine Diktatur wünschen oder nicht. Nur ein gutes Drittel widerspricht dem Satz, dass "die Ausländer" nur "unseren Sozialstaat" ausnutzen wollten und Deutschland "gefährlich" überfremdet sei. Wahr ist auch: Eine nicht zu übersehende Minderheit hat ihre historischen und europäischen Lektionen offenbar nicht verinnerlicht. Wenn sich 15 bis 20 Prozent der Befragten mit antisemitischen Klischees identifizieren, ist das vor dem Hintergrund unserer Geschichte schlicht haarsträubend. Und wenn knapp 30 Prozent sich ein "hartes und energisches Durchsetzen deutscher Interessen" wünschen, müsste der Einwand lauten: Ohne Rücksicht auf die Partner stünden die Deutschen sehr bald sehr allein da. Gibt es eine Chance für mehr differenziertes Denken, lautet die Frage, die eine solche Studie nahelegt. Und warum sollte sie sich etwa an die Medien richten, die sich entsinnen könnten, dass sie nicht nur einen Service- und Entertainment-, sondern auch einen Bildungsauftrag haben?
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