Westfalenpost: Kommentar zu Sprachstörungen bei Kindern
Hagen (ots)
Sprachstörungen können viele Ursachen haben, die sich gut beheben lassen, Hörschäden etwa oder Probleme mit der Zungenmuskulatur. Gefährlich sind hingegen Defizite, die auf mangelnder Kommunikation in der Familie beruhen. Wenn zwischen den Eltern untereinander und den Kindern hauptsächlich in Zwei-Wort-Sätzen geredet wird ("Tür zu", "hol Bier"), können die Kinder keinen Wortschatz erwerben. Neben diesem Extrem lässt sich jedoch ein schleichender Sprachverfall in der Mitte beobachten, der dazu führt, dass ein Hanni-und-Nanni-Band aus den 1960er Jahren bei einer Neuauflage heute im Satzbau vereinfacht und um Dialoge reduziert werden muss, weil er sonst zu schwer verständlich ist. Die Zusammenhänge zwischen Sprechen und Denken sind gut erforscht. Deshalb müssen in den Schulen endlich die sogenannten weichen Fächer wieder aufgewertet werden. In einem Aufsatz ein Thema zu beschreiben, das ist kein Luxus gegenüber einem Multiple-Choice-Test, der per Häkchen Wissen abfragt. Im Gegenteil, der gute alte Aufsatz trainiert die Fähigkeit, sich die erlebte Welt mit eigenen Worten anzuverwandeln, also ihrer Herr zu werden. Ohne diese Kompetenz wird man gerade im digitalen Zeitalter fremdbestimmt und manipulierbar bleiben.
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